Auf der Insel Stromboli sind die Augen der Besucher:innen derzeit in die Höhe gerichtet - und das aus gutem Grund: Mehrmals pro Stunde speit der namensgebende Vulkan der Insel Rauch in den Himmel. Der Vulkan ist der aktivste der Äolischen Inseln und wird von den sizilianischen Behörden als weniger besorgniserregend eingestuft als die umliegenden Gewässer, die streng bewacht werden: Die Inselgruppe ist in Wirklichkeit nur die Spitze eines riesigen unterseeischen Vulkansystems, das laut verschiedenen Prognosen in den nächsten 30 Jahren ausbrechen und einen Tsunami auslösen könnte, dessen Schockwellen die Küsten Italiens, Korsikas und Maltas erreichen würden. Erst im letzten Jahr hat ein ähnlicher Ausbruch für Tsunami-Warnungen im ganzen Mittelmeerraum gesorgt.
Einer der Brennpunkte dieser Bedrohung liegt in der Nähe der kleinsten Insel der Äolischen Inseln, Panarea. Schon in der Antike bot sie einen beliebten Ankerplatz für römische Seeleute. Die Schiffe legten hier an, um ihre Rümpfe von Muscheln und Algen zu befreien, die sich an ihnen festgesetzt hatten, und zwar mithilfe von starken Düsen und Wirbeln aus Blasen, die auf geheimnisvolle Weise aus der Tiefe aufsteigen. Ein natürlicher Hochdruckreiniger also.
Kontinuierliche Fumarolen
In den letzten 15 Jahren wurden hier immer mehr Sonar-Kartierungen und wissenschaftliche Tauchgänge durchgeführt. Sie bestätigen, dass die Fumarolen in diesem Gebiet ununterbrochen sind und dass die vulkanische Aktivität viel stärker ist, als man bisher angenommen hatte. Bei einer Mission im Mai 2022, die vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) und einem der weltweit führenden Spezialisten für Unterwasserfotografie, dem französischen Fotografen und Entdecker Alexis Rosenfeld, im Rahmen des von der UNESCO unterstützten Forschungsprogramms 1 Ozean durchgeführt wurde, sind unter anderem eruptive Phänomene in nur 70 Metern Tiefe inventarisiert worden.
Dort gelang es dem Team, sich einem Feld von Schloten zu nähern, die kontinuierlich giftige Gase und heiße Flüssigkeiten (einige davon über 130 °C heiß) ausspuckten. Das Ganze soll aus einer Magmakammer stammen, von der die Expert:innen vermuten, dass sie mit der Magmakammer des Vulkans Stromboli in Verbindung steht. Die beiden Inseln sind zwar nur 20 Kilometer voneinander entfernt, aber einer der Forscher:innen des INGV, Francesco Italiano, entdeckte bei einem Tauchgang - ein Fund, der 2018 veröffentlicht wurde - einen engen Canyon zwischen Panarea und Stromboli, den er das Tal der 200 Vulkane taufte: eine Kolonie von Kratern mit einem Durchmesser von jeweils fünf bis sechs Metern, die in einem unglaublichen Chaos ständig ausbrechen.
Rundherum, etwas tiefer, erstreckt sich eine unterseeische Ebene, die von den Wissenschaftler:innen "Smoking Land" ("Rauchende Erde") genannt wurde. Die Aktivitäten sind so intensiv, dass Taucher:innen spezielle Ausrüstungen tragen müssen, um sich vor einer Mischung aus Kohlendioxid, Schwefel und Säuren aus dem Erdinneren zu schützen. So gefährlich diese Erkundungen auch sein mögen, sie enthüllen ein weltweit einzigartiges naturwissenschaftliches Labor. "Die gesammelten Proben erzählen schlicht und einfach vom Ursprung des Lebens auf der Erde", erklärt Professor Italiano, der nun an der Schaffung einer großen multidisziplinären Wissenschaftsplattform rund um Panarea arbeitet.
Ein zerbrechliches Unterwasserlabor
Eine der Besonderheiten dieses Ortes ist seine geringe Tiefe, die in Reichweite von Taucher:innen liegt, während Unterwasservulkane dagegen meist in 1.000 oder 2.000 Metern Tiefe zu finden sind. Und auf Panarea schlägt der Säuregehalt der Meeresumwelt alle Rekorde: Korallen, Posidonia und Muscheln überleben das nicht. Hinzu kommen Erdrutsche und Lavaströme, die alles auf ihrem Weg ersticken und den Kreislauf des Unterwasserlebens auf Null zurücksetzen.
In dieser großen Leere bilden sich in der Nähe der Rauchsäulen wieder Bakterienansammlungen, die das erste Glied der Nahrungskette bilden. Auf den älteren Strömen konnten die Forscher:innen beobachten, wie Pionierarten ihre Arbeit der Rückeroberung verrichteten - so etwa einige Mikropflanzen, die schließlich wirbellose Tiere anzogen, wie die zarten Antiopella cristata.
Die Äolischen Inseln sind also ein unschätzbares Forschungsgebiet, auch wenn es wahrscheinlich nur kurzlebig ist. Ein ähnlich aktiver Unterwasser-Vulkan ist zuletzt in der Ägäis erforscht worden.
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Verwendete Quellen:
National Geographic: "Brodelnde Vulkane vor Italien: Wann brechen sie aus?"
Berliner Morgenpost: "Unterwasservulkane vor Italien – wie gefährlich sind sie?"
Aus dem Französischen übersetzt von GEO