Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten fühlten sich in Frankreich mehr Wähler:innen (fast 52 % Wahlbeteiligung gegenüber 42 % vor zehn Jahren) betroffen und gaben ihre Stimme ab, um ihre Europaabgeordneten zu wählen. Bei immerhin 49 % Nichtwähler:innen und einer Rekordwahlbeteiligung für rechtsextreme Parteien erhoben viele ihre Stimme und forderten ein Gesetz, das die Wahl in Frankreich unter Androhung von Geldstrafen zur Pflicht machen würde, wie es bereits in mehreren Ländern der Fall ist. Wir verraten euch, welche das sind.
In einigen unserer Nachbarländer besteht Wahlpflicht
Nur in Belgien ist das Wählen für alle Personen ab 16 Jahren Pflicht. Und das ist nicht neu: Es ist seit 1893 so. Die Maßnahme ist alt und sieht finanzielle Sanktionen für die Nichteinhaltung dieser Pflicht vor (auch wenn diese selten angewendet werden). Dies verhindert jedoch nicht, dass die Wahlenthaltung im Land allmählich ansteigt (von 9 % im Jahr 1999 auf 12 % im Jahr 2019). In dem Land bildete die Wahl 2024 keine Ausnahme: 12,5 % der Wahlberechtigten enthielten sich der Stimme, was laut La Libre fast 100.000 Wähler:innen weniger waren als vor fünf Jahren. In Italien lag die Wahlbeteiligung am Wahl-Sonntag bei 48 %, in den Niederlanden bei 46 % und in Finnland bei 40 %, so die Zahlen der Europäischen Union.
In Belgien wird ein leerer Stimmzettel jedoch gezählt. Dies ist auch in Luxemburg der Fall, wo eine Wahlpflicht besteht, außer für Personen über 70 Jahre oder Wähler:innen, die im Ausland leben. In diesem Jahr lag die Wahlbeteiligung in Luxemburg laut RTL Infos bei 82 %.
Administrative Schwierigkeiten oder Gefängnis
Auch in Griechenland besteht seit 1975 eine Wahlpflicht, es sei denn, man ist über 70 Jahre alt, lebt im Ausland oder ist am Wahltag mehr als 200 km von seinem Wahlkreis entfernt. Das Wahlrecht wurde 2016 auf das Alter von 17 Jahren herabgesetzt. Theoretisch droht griechischen Bürger:innen, die nicht zur Wahl gehen, eine Haftstrafe zwischen einem Monat und einem Jahr, aber natürlich wurde dies nie durchgesetzt. So kommt es, dass die Wahlpflicht nicht wirklich ernst genommen wird.
Da sich das Land in einer gewissen demokratischen Krise befindet, erreichte die Wahlenthaltung am Sonntag mit 60 % einen Rekordwert und war damit ähnlich hoch wie in Ländern, in denen es diese Regel nicht gibt. Auch in Bulgarien ist es Pflicht, zur Wahl zu gehen, und es gibt keine gesetzlich festgelegten Ausnahmen. Dies hält die Bürger:innen jedoch nicht davon ab, nicht zur Wahl zu gehen: Bei diesen Wahlen sollen 33 % der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen sein.
Außerhalb Europas haben auch andere Länder eine Wahlpflicht eingeführt, z. B. Australien und Brasilien. Im größten Land Lateinamerikas müssen Bürger:innen, die bei den letzten drei Wahlen nicht gewählt haben, eine Geldstrafe zahlen. Außerdem haben sie Schwierigkeiten, ihren Reisepass ausgestellt zu bekommen, und können kein öffentliches Amt übernehmen. Die Wahlbeteiligung ist dementsprechend relativ hoch: Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 betrug sie 79 %. Theoretisch muss also fast jede:r fünfte Wähler:in mit einer Strafe rechnen.
Auch interessant:
Großer Talk nach Europawahl: Alice Weidel (AfD) und Lars Klingbeil (SPD) liefern sich Wortgefecht
Rechtsruck bei der EU-Wahl: Welche Konsequenzen drohen der europäischen Union?
AfD zieht Konsequenzen: Maximilian Krah aus EU-Delegation ausgeschlossen
Verwendete Quelle:
Aus dem Englischen übersetzt von Ça m'intéresse