Ein schwer zu filmender Tiefseeräuber
Er hat ein riesiges Auge, das wohl größte im Tierreich, und gigantische Fangarme. Er kann sich durch Ausstoßen des in seinen Mantelhöhlen enthaltenen Wassers sowohl vorwärts als auch rückwärts bewegen. Er hat blaues Blut und drei Herzen… Die Rede ist hier vom Riesenkalmar, einer von jeher furchterregenden Kreatur, die Schriftsteller wie Jules Verne und Herman Melville zu Werken wie 20.000 Meilen unter dem Meer und Moby Dick inspiriert hat.
In Wirklichkeit können diese Kreaturen zehn bis dreizehn Meter lang werden. Trotzdem sind sie nur sehr schwer zu beobachten, weil sie in der Tiefsee leben. Bei den bisher beobachteten Exemplaren handelt es sich meist um kranke oder verletzte oder tot gestrandete Tiere. Doch mit Hilfe technischer Errungenschaften ist es im Laufe der Zeit auch gelungen, Aufnahmen des Tiefseeräubers in seiner natürlichen Umgebung zu machen.
Auf der Suche nach dem Riesenkalmar
Die ersten Bilder eines Riesenkalmars stammen aus dem Jahre 2004… Einem japanischen Forscherteam war es gelungen, einen Riesenkalmar zu filmen und ihm ein Stück Fangarm zu entnehmen. 2012 gelingt es dann der amerikanischen Ozeanografin Edith Widder und ihrem Team, mit Hilfe einer speziell dazu konstruierten Infrarot-Tierseekamera namens Medusa ebenfalls Nahaufnahmen eines Riesenkalmars zu machen. Dieses Jahr nun ist ihr das noch einmal gelungen. Diesmal in 759 Metern Tiefe in den US-amerikanischen Gewässern des Golfs von Mexiko.
Die ersten Bilder eines Riesenkalamars in US-amerikanischen Gewässern
Um den Meeresgrund zu erforschen, machen die 23 Mitglieder des amerikanischen Forschungsteams mehrere Tauchgänge in die dunklen Tiefseegewässer mit der Medusa, einer speziell für solche Tauchgänge konstruierten Infrarot-Tiefseekamera mit einem quallenähnlichen fluoreszierenden Köder, dem sie ihren Namen verdankt und mit dem sie die Tiefseeräuber anlocken soll. Nach mehreren Stunden verschiedenster Aufnahmen kommen auf einmal spektakuläre Fangarme aus der Tiefe und nähern sich der Kamera. Einer der Wissenschaftler benachrichtigt sofort seine Kollegen. Seine Aufregung belustigt die Ozeanografin: „Seine Augen waren so weit aufgerissen, als würden sie aus den Höhlen treten. Er brauchte nicht einmal etwas zu sagen… Alle haben sofort gewusst, dass es hier etwas Unglaubliches auf dem Bildschirm zu sehen gab!“
Gefährdetes Bildmaterial
Doch das Team verliert bald schon den Mut. Das Forschungsschiff wird bei einem schweren Gewitter vom Blitz getroffen. Die elektrische Ladung beschädigt einen Teil der Bordinformatik. Das Team fürchtet für die wertvollen Aufnahmen.
Glücklicherweise ist der Computer mit dem Bildmaterial noch intakt. Doch schon braut sich ein zweites Unheil zusammen. Ein Tornado nähert sich dem Forschungsschiff. Wie durch ein Wunder kann die Besatzung die drohende Wasserwelle vermeiden und doch noch sicheren Hafen ansteuern. Das Bildmaterial ist gerettet und kann endlich ins Netz gestellt werden. Edith Widder wird dieses Abenteuer so bald nicht wieder vergessen und kommentiert: „Das waren die unglaublichsten Tage, die ich je auf See erlebt habe!“