Kaum haben wir unsere wohlig warme Fleece- oder Daunenjacke übergezogen und uns raus in die Kälte gewagt, überkommt uns ein drängendes Bedürfnis. Und das nicht etwa deshalb, weil wir vergessen hätten, vor dem Rausgehen aufs Stille Örtchen zu gehen.
Schuld sind Muskelkontraktionen
Die Erklärung ist voll und ganz rational und physikalisch. Schuld ist nämlich eine Muskelkontraktion. Also Muskeln, die sich anspannen. Doch der Reihe nach.
Tatsächlich ist das Phänomen bestens erforscht. Der österreichische Arzt Alfred Adler wagt 1918 ein Experiment, das die steile These überprüfen soll, ob wir wirklich verstärkt pinkeln müssen, wenn es kalt wird.
Das Blasen-Experiment
Dazu füllt er kaltes Wasser in eine Blase. Dabei bemerkt er eine außergewöhnliche Reaktion des Musculus detrusor vesicae. Das ist Latein und bedeutet so viel wie “Austreiber der Harnblase”.
Was also passiert, ist ganz simpel: Die Muskeln, die die Harnblase umgeben, ziehen sich bei Kälte zusammen. Der Druck auf die Blase nimmt zu und das wiederum führt uns unweigerlich zu der Frage: Wo bitte ist das nächste Klo?
Um seine revolutionäre Erkenntnis zu verifizieren, unternimmt Adler jede Menge Folgeversuche an Katzen und Menschen. Und… Bingo! Jedes Mal dasselbe Ergebnis: Die Kälteempfindlichkeit der Blase bestätigt sich.
Der Urologe Adrien Vidart erklärt das Phänomen folgendermaßen:
Das Herabsetzen der Temperatur stimuliert Rezeptoren, die auf Kälte reagieren und besonders in der Harnröhre und in der Harnblase vorkommen. Die Rezeptoren bewirken eine Muskelkontraktion. Diese Kontraktion erhöht den Blasendruck und damit den Drang zu urinieren.
Das Wärme-Phänomen
Um es kurz zu machen: Die Kälte erhöht den Blutfluss in Richtung der Muskeln, damit diese warm bleiben, was wiederum zu deren Kontraktion und also schließlich zu dem intensiven Harndrang führt.
Zu diesem fatalen Effekt der Muskelkontraktion kommt nun aber noch ein zweites Phänomen. Wenn es kalt wird, versucht unser Körper so gut wie möglich, seine Wärme zusammenzuhalten.
Dazu reduziert er den Blutfluss in Richtung unserer Extremitäten. Es fließt also weniger Blut durch unsere Hände oder unsere Füße. Denn unsere Hände und Füße sind exponiert und geben deshalb verhältnismäßig viel Wärme an die Umgebung ab.
Gleichzeitig passiert noch etwas im Körper: Er reagiert auf die Kälte, indem er den Herzrhythmus erhöht. Insgesamt fließt also mehr Blut durch den Körper. Allerdings eben nicht in Hände und Füße, sondern in die wichtigen Organe wie Herz und Hirn. Also all das, was wir am Allerdringendsten brauchen, um zu überleben.
Die Nieren sind gefordert
Das bleibt jedoch nicht folgenlos: Denn weil mehr Blut fließt, müssen die Nieren mehr Blut filtern. Und was die Nieren herausfiltern, das wird über den Urin ausgeschieden. Eine erhöhte Nierenaktivität führt also zu einer erhöhten Urinproduktion.
Kälte wirkt sich also gleich doppelt auf unseren Harndrang aus. Und deshalb müssen wir eben auch so oft so schnell pinkeln, wenn es kalt wird. Übrigens: Allzu sehr und zu lange solltet ihr dieses Bedürfnis nicht ignorieren. Denn das ist ungesund.
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