Das Schlüsselwort der Studie lautet "kognitive motorische Dissoziation", kurz CMD. Es beschreibt das Phänomen, wenn Menschen mit Bewusstseinsstörungen, zum Beispiel nach einem schweren Unfall oder einem Herz- oder Schlaganfall, auf verbale Ansprachen innerlich reagieren, obwohl sie oft keine sichtbare Reaktion auf die Reize der Umwelt zeigen, berichtete ÄrzteZeitung.
Das "verborgene Bewusstsein"
Laut Heute wird CMD auch das "verborgene Bewusstsein" genannt. Die Denkfähigkeit überstieg in vielen Fällen die motorischen Fähigkeiten der untersuchten Patient:innen.
Die neue Studie, die in dem renommierten Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, umfasst Daten von Personen an sechs verschiedenen Standorten in den USA, Großbritannien und Europa, die über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren erhoben wurden. Dabei wurden sowohl Menschen berücksichtigt, die nur wenige Tage auf der Intensivstation lagen, als auch solche, die bereits seit Monaten oder Jahren in Pflegeheimen oder Zuhause versorgt wurden.
Getestet wurde mit Hilfe von fMRI (funktioneller Magnetresonanztomographie) und EEG (Elektroenzephalographie, Hirnstrommessung). Die Patient:innen bekamen Anweisungen wie "Stellen Sie sich vor, Sie öffnen und schließen Ihre Hand" - und erstaunlicherweise zeigten 60 von 241 Personen Anzeichen von verstecktem Bewusstsein. Sie verarbeiteten die Anweisungen quasi innerlich und befolgten sie noch minutenlang.
Werden lebenserhaltende Maßnahmen zu früh abgeschaltet?
Angehörige sowie Pflegepersonal sind sich oft unsicher, wie viel die Person von dem mitbekommt, was um sie herum passiert. Obwohl die Patient:innen im Koma vielleicht keine offensichtliche Regung zeigen, wurden bei 25 Prozent der Untersuchten doch kognitive Ströme nachgewiesen, berichtete auch Geo. Frühere Studien an einzelnen Zentren hatten nur eine Prozentzahl von 15 bis 20 ermittelt.
Für den an der Studie unbeteiligten Julian Bösel, Sprecher der Kommission Neurologische Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), ist die neue Studie laut Geo sehr bedeutend. Zum einen sei sie größer angelegt und systematischer durchgeführt worden, zum anderen werfe sie die ethische Frage auf,
ob man die Therapie fortführen sollte oder nicht.
Um Genesungschance besser einschätzen zu können, seien längere Untersuchungen der Patient:innen mit EEG notwendig. Und obwohl trotzdem noch viele Fragen offen bleiben, resümierte Bösel:
Wir sollten uns darüber klar sein, dass vielleicht noch mehr bewusstseinsgestörte Patienten als gedacht etwas von dem mitbekommen, was rund um sie vorgeht.
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Verwendete Quellen:
Ärztezeitung: Häufiger als gedacht: Bewusstlose Patienten reagieren auf Ansprache
Heute: Lebenserhaltende Maßnahmen werden zu früh abgeschaltet!
Geo: Verborgenes Bewusstsein: Wie viel bekommen Koma-Patienten wirklich mit?