Wenn man die Frage "Was unterscheidet den Menschen von anderen Spezies?" stellt, tauchen schnell mehrere Antworten auf. Dazu gehören die Größe unseres Gehirns, die Tatsache, dass wir ein Bewusstsein haben, dass wir Werkzeuge benutzen und unsere Toten im Rahmen verschiedenster kultureller Rituale bestatten - viele von uns glauben gar, dass das Leben nach dem Tod nicht zu Ende ist. Doch Tag für Tag gibt es immer wieder neue Forschungsergebnisse, die diese Gewissheiten in Frage stellen. Die jüngste Entdeckung zeigt, dass wir nicht die einzigen sind, die ihre Toten auf ritualisierte Weise bestatten. Paläontolog:innen haben die älteste Grabstätte der Welt ausgegraben - und sie stammt nicht von unserer Spezies.
Die älteste Grabstätte stammt aus dem Jahr 200.000 v. Chr.
Die Entdeckung dieser bedeutenden Stätte wurde in Südafrika von einem Team von Paläontolog:innen unter der Leitung von Lee Berger, einem weltbekannten Paläoanthropologen, gemacht. Den Expert:innen zufolge stammt das Grab aus der Zeit um 200.000 v. Chr. Und was es umso mehr zu einer außergewöhnlichen Stätte macht, ist die Tatsache, dass es nicht von unserer Spezies errichtet wurde. Das berichtet die Zeitschrift eLife. Aber von welcher Spezies ist das Grab dann angelegt worden?
Die Entdeckung wurde im Herzen eines Höhlensystems gemacht, das sich auf dem Gelände der Hominidenfossilien in Südafrika befindet. Dieser Ort, der nur 30 km von Johannesburg entfernt liegt, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Er ist auch als die "Wiege der Menschheit" bekannt. Paläontolog:innen fanden dort die Überreste (genauer gesagt 1.800 Knochenfragmente) eines sehr entfernten Verwandten des modernen Menschen, des Homo naledi.
Diese Entdeckung stellt viele Theorien über die menschliche Evolution in Frage, da die Wissenschaft seit langem davon ausgeht, dass die ausgestorbene Hominini-Spezies nicht in der Lage war, solche sogenannten "komplexen" Leistungen zu erbringen.
Evolutionstheorie in Frage gestellt
"Es handelt sich um die ältesten Homininen-Gräber, die je gefunden wurden", sagte Lee Berger. Er war es auch, der bereits 2013 diesen Vorfahren des Homo sapiens entdeckt hatte. Mit einer Größe von etwa 1,50 m besaß Homo naledi ein Gehirn, das nicht größer als eine Orange war. Diese Entdeckung, die bisher nicht von seinen Kolleg:innen unterstützt wurde, könnte, wenn sie bestätigt wird, ein wahres Erdbeben in der Welt der Paläontologie auslösen.
Der Grund dafür? Sie soll 100.000 Jahre vor den ältesten bislang bekannten Bestattungen, denen des Homo sapiens, liegen. Für die Expert:innen deutet die Lage einiger Skelett-Fragmente auf eine freiwillige, rituelle Bestattung hin. Denn neben den Überresten fanden die Forscher:innen auch mehrere Gravuren, abstrakte Formen und Muster, die in die Wände der Höhle geritzt waren. Theorien, die diese Fähigkeit nur dem Neandertaler und dem Homo sapiens zuschreiben, stehen kurz davor, revolutioniert zu werden.
Wenn also ein Hominine mit einem so kleinen Gehirn solche Praktiken ausübt, dann ist dies ein Beweis dafür, dass seine Größe nicht mit komplexen kognitiven Fähigkeiten gleichzusetzen ist, wie bisher angenommen wurde.
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Verwendete Quellen:
Science Alert: "The Oldest Known Burial Site in The World Wasn't Created by Our Species"
eLife: "Evidence for deliberate burial of the dead by Homo naledi"
X: @themfatale666
Aus dem Französischen übersetzt von Gentside Frankreich