35 Jahre ist die Atomkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl nun her, doch überstanden ist das Unglück noch lange nicht, das zeigen jüngste Messungen an der AKW-Ruine. Demnach registrieren die Sensoren eine steigende Zahl an Neutronen.
Die Tschernobyl-Katastrophe ist noch nicht vorüber
Knapp 150.000 Menschen sind bei der Explosion in dem Atomkraftwerk in Tschernobyl 1986 ums Leben gekommen. Eigentlich hatte man gehofft, der Katastrophe allmählich Herr zu werden.
Doch neue Forschungsergebnisse zeigen das Gegenteil und bestätigen damit die Sorge vieler Experten. Seit ein paar Jahren kommt es wieder vermehrt zu Kernspaltungen.
Und zwar vor allem am Unglück-Reaktor 4. Das geht aus einem Bericht des Instituts für Reaktorsicherheit in Kiew (ISPNPP) hervor. Die Neutronenzahl soll sich in diesem Bereich in den vergangenen vier Jahren fast verdoppelt haben!
Kernspaltung nimmt wieder zu
Der genaue Grund für diesen Anstieg ist zwar nicht bekannt, doch die Zunahme der Neutronenzahl hat mit der Fertigstellung der neuen Schutzkuppel begonnen.
Deshalb gehen Experten davon aus, dass es mit dem Abtrocknen des Coriums zusammenhängen könnte. Corium ist eine Mischung aus Uran-Brennstäben, Wasser und Beton, die bei einer Kernschmelze entsteht.
In diesem Corium sind bis heute noch rund 170 Tonnen Uran gebunden. Durch die alte und provisorische Ummantelung der Ruine war zuvor immer wieder Wasser in den Reaktorraum gelaufen und hat den Neutronenausstoß so gehemmt.
Erhöhte Spaltreaktion
Seit die neue Schutzhülle für die Ruine vor vier Jahren fertiggestellt wurde, kann kein Regenwasser mehr in die verseuchten Räume eindringen. So kann das darin befindliche Corium langsam trocknen.
Experten gehen davon aus, dass es dadurch zu einer erhöhten Spaltreaktion kommt. Expertinnen und Experten haben bisher zahlreiche Modellrechnungen durchgeführt.
Was genau in den Trümmern der Atomruine vor sich geht, ist jedoch immer noch nicht klar. Sie haben Grund zur Annahme, dass sich die Kernspaltung weiter erhöht und irgendwann sogar exponentiell zunimmt.
Forscher halten weiteres Unglück für möglich
Laut ISPNPP-Forscher Maxim Saveliev könnte dies "zu einem unkontrollierten Ausstoß nuklearer Energie führen", die höchstwahrscheinlich nicht dasselbe Ausmaß erreichen wird, wie bei dem Unfall 1989.
Aber dennoch könnte ein solcher unkontrollierter Ausstoß die alte Schutzhülle zerstören. Außerdem könnte noch ein anderer Faktor für Tschernobyl problematisch werden.
Ein Konstruktionsfehler am Sarkophag, der den Reaktor eigentlich beschützen soll, könnte verheerende Folgen haben. Auch für Japan dürften diese Erkenntnisse von Interesse sein.
Am dortigen Unglücksort Fukushima, wo man schon jetzt nicht mehr weiß, wohin mit dem verstrahlten Kühlwasser, könnte es nämlich schon bald zu einer ähnlichen Situation kommen.