Es ist einer dieser Orte, die man fotografiert, um seine Freunde in sozialen Netzwerken eifersüchtig zu machen. Sonne, türkisfarbenes Wasser und weißer Sand.... Nein, das ist nicht Barbados, sondern Rosignano Marritimo oder Solvay, genauer gesagt der Strand Spaggie Bianche südlich von Livorno, im Nordwesten Italiens.
Krebserregende Stoffe im Wasser
Dort pilgern jeden Sommer tausende von Badegästen, die von der scheinbar idyllischen Umgebung angezogen werden. "Hier wird man schneller braun als anderswo", sagen die Gäste. Der Ort ist einer Postkarte würdig, solange man sich nicht umdreht und ins Landesinnere schaut.
Denn dort steht eine Anlage des Chemiekonzerns Solvay, die Natriumbicarbonat, aber auch Salzsäure und Wasserstoffperoxid produziert. Und die legal ihre Abfälle im Meer entsorgt. Ein Meer, das vollständig zum Schwimmen freigegeben ist, mit Ausnahme von einer Fläche von hundert Metern um das Abflussrohr herum.
Doch die offiziellen Zahlen sind erschütternd. Laut der lokalen Zeitung Il Tirreno hätte Solvay im Jahr 2011 1.449 kg Arsen, 91 kg Cadmium, 1.540 kg Chrom, 1.868 kg Kupfer, 71 kg Quecksilber, 1.766 kg Nickel, 3.218 kg Blei und mehr als 15 Tonnen Zink ins Meer eingeleitet. Dabei handelt es sich um Schwermetalle, die für viele Krebserkrankungen verantwortlich sind. Insgesamt entsorgt die 1914 in Betrieb genommene Anlage jährlich mehr als 120 Tonnen von chemischen Abfällen aller Art.
Der Strand wird als badetauglich eingestuft
Laut einem 2009 veröffentlichten Bericht erklärt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) diese Küste zu den 15 am stärksten verschmutzten Küstengebieten im Mittelmeer. Trotz allem reagieren die Behörden nicht, denn die italienische Regelung für die Wasserqualität berücksichtigt nur die Fäkalien im Meer. Dank des Chemie-Mix von Solvay werden die Fäkalien aber direkt zersetzt. Ironischerweise wird der Strand von Rosignano Marritimo daher als absolut badefreundlich eingestuft.
"Ich muss die offiziellen Kontrollen einhalten, alles ist in Ordnung", sagt der Bürgermeister, als er von den Medien dazu befragt wird. Natürlich verneint er die Existenz von Chemiemüll im Meer, denn es kommen jedes Jahr mehr als 25.000 Menschen an die Strände, und der finanzielle Druck durch die Fabrik, die eine Schule und ein Kino gesponsert hat, macht es ihm schwer, etwas Gegenteiliges zu sagen.
Allerdings wurde bereits 2009 eine Untersuchung unter dem Druck einiger lokaler Umweltaktivisten durchgeführt. Darunter ist auch Maurizio Marche von der Organisation Médecine Démocratique, er sagt:
Es ist offensichtlich, dass dieses Wasser nicht zum Schwimmen geeignet ist. Es ist ein verschmutzter Ort, an dem giftige Abfallprodukte entsorgt werden.
Aber die Untersuchungsergebnisse geben Solvay Recht. Für Arsen beispielsweise liegt die Konzentration im Meer unter der Risikoschwelle, und da das Gesetz auf der Konzentration und nicht auf der Menge des freigesetzten Produkts beruht, kann der Fabrikbetreiber nicht verklagt werden.
"Harmlose, ungiftige und absolut ungefährliche Stoffe"
Auf die Frage von Journalisten der italienischen Tageszeitung La Stampa antwortet der Betriebsleiter:
Die Farbe des Sandes ist auf den Kalkstein und den Gips zurückzuführen, die wir ins Meer werfen. Sie sind harmlos, ungiftig und absolut ungefährlich.
Was Umweltschützer allerdings lautstark bestreiten:
Im Meeresgrund befinden sich Schwermetalle, aber die Schwimmer wissen es nicht oder tun so, als wüssten sie von nichts.
Der Strand macht 2018 erneut Schlagzeilen aufgrund mehrerer Tweets der französischen Schriftstellerin Marie Causse. Mit ihren Posts bringt sie Artikel sowie Aufzeichnungen an die Oberfläche, die das Geheimnis dieser paradiesischen Weiten aufzeigen.
Denn an den Stränden selbst informiert kein Schild die Badegäste über die Situation. Und auch im Internet mehren sich die positiven Meinungen: "Super! Eine wirklich außergewöhnliche Oase", schreibt ein Internetnutzer. Aber die Wahrheit sieht anders aus.