Vor genau 200 Jahren, am 5. Mai 1821, stirbt Napoleon auf der Insel St. Helena mitten im südlichen Atlantik. Nach der krachenden Niederlage Frankreichs bei der Schlacht von Waterloo haben England und die alliierten Mächte ihn dort ins Exil gezwungen.
In Europa wird die Nachricht vom Tod Napoleons erst zwei Monate später bekannt. Unmittelbar kommt es zu Gerüchten zu den Umständen seines Todes. Der auf das erste französische Kaiserreich spezialisierte Historiker Thierry Lentz steht der Fondation Napoléon vor.
Er hat die genannte Ausstellung mit organisiert und ist auch Co-Autor des Buches La mort de Napoléon : mythes, légendes et mystères (zu deutsch: Der Tod Napoleons: Mythen, Legenden und Rätse). Thierry Lentz kommt darin auf die merkwürdigsten Theorien rund um Napoleons Tod zurück und bringt die wahren Geschehnisse ans Licht.
Napoleon stirbt unter großen Qualen
Der Historiker bringt es auf den Punkt: "Napoleon ist unter großen Qualen gestorben". Zehn Tage vor seinem Tod vollendet er sein Testament und erklärt: "Wäre es denn nicht schade zu sterben, bevor man seine Angelegenheiten nicht in eine so reizende Ordnung gebracht hat?" Napoleon leidet bereits an immer stärker werdenden Unterleibsschmerzen. Thierry Lentz sagt hierzu:
Napoleon ist sehr geschwächt und anämisch gewesen. Sein Vater ist unter ganz ähnlichen Umständen gestorben, wahrscheinlich aufgrund eines Tumors in der Magengegend. Überzeugt, dass er wegen der gleichen Ursache sterben wird, bittet der Kaiser um eine Autopsie seines Leichnams, damit man seinen Sohn, den 'Aiglon' ('jungen Adler', Anm. d.R.), darüber in Kenntnis setzen kann.
Autopsie bringt die Wahrheit ans Licht
Diese Autopsie wird dann von dem französischen Arzt Dr. Antommarchi durchgeführt und erscheint "auch heutigen Ärzten als völlig nachvollziehbar", wie Lentz hinzufügt. Nach dieser Autopsie hat Napoleon am Magen ein offenes Geschwür aufgewiesen. Thierry Lentz sagt hierzu:
Unter normalen Umständen ist so etwas sofort tödlich. Aber Napoleon hat Glück gehabt, denn seine Leber hat sich vor das Loch gelegt.
Die Autopsie belegt darüber hinaus Läsionen im Magen, die sicher auf Krebs zurückgehen, und innere Blutungen. Denn in seinem Unglück hat das ihm verabreichte Heilmittel seine Leiden, insbesondere die inneren Blutungen, noch vergrößert. Thierry Lentz führt hierzu aus:
Zwei oder drei Tage vor seinem Tod hat man ihm ein Medikament auf Quecksilberbasis verabreicht. Zu dieser Zeit ist nicht bekannt gewesen, dass das für die Gesundheit überaus schädlich ist. Diese Überdosis hat dann sicher starke innere Blutungen hervorgerufen.
Die These der langsamen Vergiftung
Trotz zahlreicher Diagnosen treibt eine Vorstellung weiterhin die Verschwörungstheoretiker um, nämlich die der Vergiftung Napoleons durch Arsen. Thierry Lentz merkt hierzu an: "Diese Theorie ist in den1960er Jahren aufgetaucht und stützt sich auf Fehldeutungen des Berichts des Hausdieners Napoleons".
Ein schwedischer Zahnarzt lässt in der Überzeugung, dass dort Symptome einer Vergiftung beschrieben werden, eine Haaranalyse Napoleons durchführen, bei der dann Spuren von Arsen festgestellt werden. Thierry Lentz erinnert hierzu aber an Folgendes:
Im 19. Jahrhundert hat man Arsen in der Haarpflege verwendet. Man hat also daraufhin Haare Napoleons aus seinen verschiedenen Lebensaltern, sowie Haare seiner Mutter, seiner Schwestern und seines Sohnes untersucht. Alle weisen einen ähnlichen Arsengehalt auf.
In derselben Vergiftungstheorie spielt auch die Vorstellung des Ehebruchs eine Rolle. Napoleon soll demnach mit Albine - der Frau des Grafen Montholon und seines engsten Beraters - geflirtet haben. Thierry Lentz merkt hierzu lächelnd an:
In Wahrheit ist Albine schon lange Zeit über weg gewesen. Der geachtete Gerichtsmediziner Philippe Charlier hat eine völlige Neubewertung aller Informationen durchgeführt. Seine Ergebnisse widerlegen die These der Vergiftung auf völlig unzweifelhafte Weise.
Vertauschung des Leichnams?
Thierry Lentz setzt dann noch hinzu: "Es gibt noch eine weitere Theorie, der aber an Klamauk grenzt. Denn hier sollen Leichname vertauscht worden sein." Damals zirkulieren nämlich Berichte, nach denen die Engländer den Leichnam Napoleons in ihren Besitz gebracht haben.
Im Pariser Invalidendom soll demnach nur der Leichnam einer seiner Kammerdiener bestattet worden sein, verkleidet als Napoleon. Thierry Lentz sagt dazu mit gequälter Miene: "Das ist großes Kasperletheater, es gibt keinerlei Quellen hierzu, aber diese Gerüchte überdauern Jahrhunderte."
An einem kann man aber keinen Zweifel haben, dass nämlich diese seit zwei Jahrhunderten geschürten Gerüchte viel zum Mythos Napoleon beigetragen haben. Zum Glück kennen wir jetzt alle die Wahrheit!