Er ist zwar vielleicht nicht der Retter der Menschheit, aber James Harrison hat es auf jeden Fall ermöglicht, dass zweieinhalb Millionen Neugeborene überlebt haben. Heute ist der Australier 81 Jahre alt und hat 60 Jahre seines Lebens Blut gespendet. Eine lebenswichtige Flüssigkeit, deren einzigartige Zusammensetzung es jahrzehntelang ermöglichte, ein Mittel gegen eine für Föten potentiell tödliche Krankheit zu entwickeln: Die Rhesus-Inkompabilität.
James Harrisons Blut enthält einen sehr seltenen Antikörper, der unter dem Namen Anti-D-Immunglobulin bekannt ist. Wenn diese Substanz isoliert wurde, kann sie werdenden Müttern injiziert werden, deren Schwangerschaft von feto-maternelle Immunisierungsreaktionen geprägt ist. Hierbei zerstören die Antikörper der Mutter nach und nach die roten Blutkörperchen des heranwachsenden Babys und führen so zum Risiko des Auftretens von schwerwiegenden Komplikationen bei der Geburt.
„Die Situation ist die folgende: Ein Großteil der roten Blutkörperchen dieser Babys war abgetötet, als sie sich noch in der Gebärmutter befanden“, erklärt Doktor Saima Aftab, die medizinische Direktorin des Fetal Car Centers des Nicklaus-Kinderkrankenhauses in Miami in den Vereinigten Staaten. „Dies kann zu schwerwiegenden Komplikationen für das neugeborene Kind wie Hirnschäden, Gelbsucht oder sogar einer Totgeburt führen“, erläutert die Wissenschaftlerin.
Eine relativ häufige Störung
In Australien, wo James Harrison lebt, sind fast 17% der schwangeren Frauen von diesem Problem betroffen und benötigen daher Anti-D-Immunglobulin-Injektionen. „Jede Ampulle mit dieser Substanz, die jemals in Australien hergestellt wurde, enthält einen winzigen Teil von James“, betont Robyn Barlow bei einem Interview mit dem Sydney Morning Herald, der Koordinator des Anti-D-Programms, das vom Blutspendedienst der australischen Roten Kreuzes ins Leben gerufen wurde.
Dieser Mann hat übrigens auch 1967 die unerwarteten Eigenschaften des Bluts von James Harrison entdeckt. In jenem Jahr wurde im Royal Prince Alfred-Krankenhaus einer schwangeren Frau die allererste Dosis Anti-D-Immunoglobulin gespritzt. Das war der Beginn einer lagen Reihe von Injektionen, die dank der insgesamt etwa 1.100 Blutspenden von James Harrison vorgenommen werden konnten. Nun ist für ihn die Zeit gekommen, vom Blutspenden in Rente zu gehen. Im Mai 2018 hat er ein letztes Mal Blut gespendet.
Ein bescheidener Held
James Harrison, der den Spitznamen „Der Mann mit dem goldenen Arm“ trägt, bleibt bescheiden: „Er meint, dass diese Spenden genau so viel wert sind wie die von jemand anderem. Er denkt nicht, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdienen“, erklärt Jemma Falkenmire vom Blutspendedienst des australischen Roten Kreuzes. Eine Sichtweise, die vom Betreffenden selbst bestätigt wurde: „Mein einziges Talent ist es wahrscheinlich, dazu in der Lage zu sein, mein Blut zu spenden“, meint James Harrison.
„In Australien gab es bis ca. 1967 Tausende Babys, die Jahr für Jahr starben, die Ärzte wussten nicht, warum, es war schrecklich“, erinnert sich Jemma Falkenmire. Eine dramatische Situation, zu deren Ende James Harrison maßgeblich beigetragen hat, und zwar nach einem Ereignis, das ihn fast selbst das Leben gekostet hätte.
Mit 14 Jahren musste der Australier sich einer schwerwiegenden Operation am Brustkorb unterziehen, bei der ihm einer seiner Lungenflügel entfernt wurde. Am Ende des Eingriffs bekam er eine große Bluttransfusion, die es ihm ermöglicht hat zu überleben und der Beginn seiner Abenteuer als Blutspender war.
Nach dieser schweren Probe hat er geschworen, regelmäßig Blut zu spenden, um anderen das Leben zu retten – ein Versprechen, das er seit seinem 18. Lebensjahr gehalten hat. Dies ist das gesetzliche Mindestalter für Blutspender. Zu jener Zeit wusste er noch nicht, wie große Auswirkungen seine Entscheidung haben würde.
Eine Reihe von glücklichen Zufällen
Zur gleichen Zeit haben Forscher entdeckt, dass ein sehr seltener Antikörper, der sich nur im Blutplasma einer Handvoll von Spendern befindet, es ermöglichen könnte, schwangere Frauen zu behandeln, deren Baby von feto-maternellen Immunisierungsreaktionen bedroht ist. Nach genaueren Recherchen in den australischen Spenderdatenbanken haben die Ärzte insbesondere eine Person gefunden: James Harrison. „Sie haben mich gefragt, ob ich als Proband dienen wollte, und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört, zu spenden“, erinnert sich der Achtzigjährige.
Die Bluttransfusion, die er erhalten hat, ist sicher der Schlüssel zu den besonderen Eigenschaften seines Blutes. „Nach der Transfusion wurde sein Immunsystem übermäßig aktiv und hat eine große Menge Antikörper produziert“, vermutet Saime Aftab. Ein ungewöhnliches Phänomen, und er ist einer der wenigen, die davon profitiert haben. In Australien gibt es inzwischen noch ein paar andere Spender, deren Blut reich an Anti-D-Immunoglobin ist, aber nicht mehr als 200.
Viele potentielle Nachfolger für einen Mann, der vor Kurzem aufgrund der 1.173 Spenden im Laufe seines Lebens ins Guiness-Buch der Rekorde gekommen ist. „Ich hoffe, dass das ein Rekord ist, den jemand brechen wird, denn das würde bedeuten, dass er sich der Sache voll und ganz gewidmet hätte“, sagt James Harrison. Es könnten sich also andere Helden finden, die es ihm gleichtun und sich mit Blutspenden für eine humanitäre und solidarische Sache engagieren.