Manchmal erschüttern neue Entdeckungen unser Wissen. In einer in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studie berichten Forschende von einer bisher unbekannten menschlichen Abstammungslinie. Die Vorgeschichte dieser Population ähnelt keiner bisher beobachteten Bevölkerung.
Eine ungewöhnliche Ausgrabung
2015 gräbt ein Archäologie-Team in einer Höhle auf Sulawesi menschliche Knochen aus. Die etwa 17 Jahre alte Frau ist in Fötusstellung begraben und mit Steinen verschiedenen Werkzeugen und Tierknochen bedeckt worden.
Das Exemplar erhält den Spitznamen Bessé und stellt sich als Angehörige der Toalean-Kultur heraus. Die mysteriöse Gruppe von Jägern und Sammlern lebte vor 8.000 bis 1.500 Jahren auf der Halbinsel.
Es ist das erste Mal, dass ein relativ vollständiges Skelett dieser Kultur zugeordnet werden kann. Anhand weiterer Proben können die Forschenden das Alter von Bessé auf 7.200 bis 7.300 Jahre begrenzen.
Gleichzeitig untersuchen die Forschenden auch die Knochen - besonders die des Innenohrs -, aus denen sie intakte DNA extrahieren. Selina Carlhoff vom Max-Planck-Institut für die Erforschung der Menschheitsgeschichte und Hauptautorin der Studie erklärt in einer Pressemitteilung:
Dies war insofern eine große Herausforderung, als die Überreste durch das tropische Klima stark degradiert waren.
Bislang wurde in ganz Südasien nur bei wenigen präneolithischen Skeletten DNA nachgewiesen. Das genetische Material von Bessé ist also von doppelter Bedeutung.
Es ist der erste direkte genetische Beweis für die Toalean-Kultur, aber auch die erste antike menschliche DNA, die in Wallacea, dem Gebiet, das die Inseln zwischen Borneo und Neuguinea umfasst, gewonnen wurde.
Unentdeckte Geschichte
Diese beispiellose Entdeckung ermöglicht unerwartete Rückschlüsse auf die Ursprünge der Toaleaner. Das Genom der jungen Frau hat Ähnlichkeiten mit dem der australischen Aborigines und der heutigen Bewohner Neuguineas und des westlichen Pazifiks.
Man entdeckt auch DNA, die von Denisovanen, entfernten Cousins der Neandertaler, stammt. Dadurch bestätigt sich die Hypothese, dass diese mit den ersten Menschen verwandt waren, die vor etwa 65.000 Jahren die Wallace-Linie erreichten.
Professor Adam Brumm von der Griffith University, Co-Leiter der Studie erklärt, dass ein Superkontinent namens Sahul existiert hat, der Australien, Tasmanien und Neuguinea umfasste:
Sie waren die ersten Bewohner des Sahul, des Superkontinents, der während des Pleistozäns entstand, als der Meeresspiegel weltweit sank.
Ist das, was wir wissen, falsch?
Bessés DNA weist jedoch eine unvermutete Signatur auf, die auf die Verbindung zu einer asiatischstämmigen Bevölkerung schließen lässt.
Bislang weiß die Wissenschaft nur von einer Wanderung des modernen Menschen von Ostasien nach Wallacea. Doch diese fand vor etwa 3.500 Jahren statt - also weit nach der Zeit, in der die junge Frau lebte.
Das Team findet keine Übereinstimmung zwischen Bessés Vorfahren und den heutigen Bewohner:innen der indonesischen Insel Sulawesi, die im Wesentlichen von neolithischen Bauern abstammen, die vor drei Jahrtausenden in die Region gekommen sind.
Diese Rasse würde demnach eine Abstammungslinie darstellen, die es so noch nie gegeben hat und die vor 1.500 Jahren verschwunden zu sein scheint.
Abgesehen von diesem Kontakt scheint diese ausgestorbene Kultur auch nur sehr begrenzten Kontakt mit anderen alten Gemeinschaften auf Sulawesi und den benachbarten Inseln gehabt zu haben.
Über Jahrtausende hinweg bliebt diese Kultur isoliert. Diese Erkenntnisse werfen neue Fragen über die Toaleaner und ihre Ursprünge auf. Dr Blumm fasst es so zusammen:
Die Entdeckung von Bessé und die Implikationen seiner genetischen Abstammung zeigen, wie begrenzt unser Wissen über die frühe menschliche Geschichte unserer Region ist und wie viel noch zu entdecken ist.