Nach den schweren Überflutungen findet Sebastian Yurtseven im Haus seiner Tante in Hagen eine Tageszeitung von 1945. Bei dem Anblick bekommt er Gänsehaut, wie er berichtet. Doch er rechnet nicht damit, dass er ein ganzes Versteck voller Nazi-Relikte finden wird.
Historische Entdeckung
Als er einen Blick hinter eine aufgeweichte Rigipsplatte wirft, stößt der 39-Jährige auf ein Backsteingebilde, darin: Zeitungen, alte Briefe, Dokumente, ein Portrait von Adolf Hitler, Gasmasken, Schlagringe, ein Revolver sowie einige Gegenständer mit Hakenkreuz und Reichsadler.
Yurtseven berichtet, dass das Haus 1960 in den Besitz seiner Familie gelangt sei und dass niemand von der Existenz dieses Verstecks gewusst habe. Aktuell werden die Fundstücke im städtischen Museum von Hagen untersucht.
Überbleibsel aus Nazi-Zeit
Den Historiker:innen zufolge befand sich früher in dem Haus ein Büro der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), eine 1931 gegründete soziale Hilfsorganisation der nationalsozialistischen Partei.
Die NSV unterlag der Nazi-Ideologie und half nur Personen, die gesund und von arischem Geschlecht waren. Nach der Niederlage von Nazi-Deutschland im Jahr 1945 wurde die Organisation mit damals 17 Millionen Mitgliedern von den Alliierten verboten.
In Eile versteckt
Die Expert:innen gehen davon aus, dass die in dem 30 Zentimeter breiten Versteck gefundenen Gegenstände verstaut wurden, als die Stadt im April 1945 von den Amerikaner:innen besetzt wurde. Hagens Archivleiter Ralf Bank erklärt gegenüber der Frankfurter Allgemeinen, dass es "sehr hektisch geschehen sein" muss:
Solche eiligen Entsorgungsaktionen kennt man aus zahllosen Tagebuchaktionen, tatsächlich aber einmal einen solchen Fund sichern zu können, allein das ist schon eine sehr spannende Sache.
Die Dokumente versprechen Aufschluss über die Aktivitäten eines lokalen Büros dieser Organisation zu liefern.
Dokumente als Zeitzeugen
"Wir hoffen, beispielsweise auch auf Akten zur Verteilung sogenannter Judenmöbel zu stoßen", fügt Ralf Bank hinzu. Studien haben gezeigt, dass die NSV von der Enteignung der Juden und der Enteignung ihres Eigentums profitiert hat. Der älteste Brief des Fundes geht auf das Jahr 1928 zurück.
Der Westfalenpost zufolge zeigen mehrere Dokumente die Unterschrift des mutmaßlichen Chefs des NSV-Büros, der bis zu seinem Tod im Jahr 1960 in Hagen lebte. Die Schlagringe zeugen ihrerseits von dem gewaltvollen Vorgehen der Nazis gegen Kommunisten bei Straßenkämpfen.
Die gefundenen Gegenstände, die sich größtenteils in gutem Zustand befinden, werden nun von den Expert:innen des städtischen Archives und Archäolog:innen aus Westphalen-Lippe untersucht und anschließend im Museum von Hagen ausgestellt.