Wir waren uns eigentlich sicher, dass wir auf der Karte der Organe des menschlichen Körpers sämtliche terra incognitas beseitigt hätten. Aber nun enthüllt eine neue Studie die Entdeckung eines Organs, das bisher unbekannt war: Das Interstitium.
Dieses "Organ", das das größte im menschlichen Körper sein könnte, spielt eine wichtige Rolle in der Funktion anderer Organe, eines Großteils unseres Gewebes und sogar im Verlauf zahlreicher Krankheiten.
Kammern zum Schutz des Körpers
Bislang wurde das Interstitium für ein Zwischengewebe gehalten. Nun stellt sich heraus, dass es etwas ganz anderes ist. Es befindet sich unter unserer Haut und umschließt den Verdauungsapparat, die Lungen, den Urintrakt, wie auch Arterien, Venen und die Faszien, die unsere Muskeln umschließen.
Es besteht aus Kammern, die miteinander verbunden und mit Flüssigkeit gefüllt sind. Diese Kammern sind durch ein Proteinnetz strukturiert, welches Bindegewebe bildet. Dieses wiederum besteht aus Collagen (eher fest) und Elastin (flexibel).
Keine geschlossene Mauer
Sie spielen wahrscheinlich eine Rolle bei der Absorbierung eines Aufpralls und verhindern das Zerreißen des Gewebes bei der alltäglichen Arbeit der Muskeln, Blutgefäße und anderer Organe. Sie produzieren auch Lymphe und könnten eine Rolle beim Auftreten von Falten und anderer Alterserscheinungen spielen.
Dieses Gewebe ist keinesfalls eine Art geschlossene Mauer, sondern das Gewebe, das diese Kammern umgibt, ist durchlässig für Flüssigkeiten. Dadurch wird das Interstitium zu einer regelrechten Flüssigkeits-Autobahn.
Diese Eigenschaft könnte es ermöglichen, zu verstehen, wie sich Krebs verbreitet. Krebsarten, die das Interstitium angreifen, haben eine wesentlich größere Wahrscheinlichkeit, sich zu verbreiten, wahrscheinlich aufgrund der Nutzung dieser „Autobahn“.
Späte Entdeckung
Das neue Organ wurde nur zufällig entdeckt, und zwar bei einer Untersuchung, bei der die neue Technologie der konfokalen Endomikroskopie bei einem Krebspatienten zum Einsatz kam.
Im Rahmen dieser Untersuchung haben die Ärzte mehrere Kammern gefunden, deren Existenz noch nie festgestellt worden war. Sie haben sich daher dazu entschlossen, genauere Analysen vorzunehmen, welche gezeigt haben, wie das Interstitium den Augen der Wissenschaftler so lange entgehen konnte.
Bei einer Analyse mit dem Mikroskop ist es erforderlich, die Probe mithilfe von chemischen oder farbgebenden Methoden zu „fixieren“. Diese zeigen zwar die festen Strukturen auf, entfernen aber sämtliche Flüssigkeiten.
Mikroarchitektur kann brechen
Wenn keine Flüssigkeit vorhanden ist, bricht die Mikroarchitektur, aus denen die Kammern des Interstitiums bestehen, zusammen und es wird so unmöglich, das Organ in der Form, in der es im menschlichen Körper existiert, zu beobachten. Man steht vor einer zusammengefallenen Struktur, aus der unmöglich ein Sinn zu erschließen ist.
In ihrer neuen Studie haben die Forscher, die die Entdeckung gemacht haben, vorgeschlagen, das Interstitium zum 80. Organ des menschlichen Körpers zu erklären. Ein neues Konzept, das unser Verständnis dieses Zwischenraums revolutioniert.
Bisher handelte es sich um ein relativ unklares Konzept in der Anatomie. Es könnte uns unschätzbar wertvolle Erkenntnisse in der Forschung über Krankheiten und für ihre Behandlung liefern. Der Status des Interstitiums als Organ bleibt allerdings noch unbestätigt. Für den Moment können wir uns erst einmal über die Entdeckung eines möglichen 80. Organs freuen!