2017 haben Forscher verkündet, dass es einen neuen physikalischen Zustand gibt: Zeitkristalle. Diese Strukturen mit komplexen und faszinierenden Eigenschaften schienen bislang nur in Laboratorien und hochentwickelten Technologien zu existieren. Nach neuesten Erkenntnissen reicht es aber aus, in einen Kinderspielzeugladen zu gehen, um Zeitkristalle zu bekommen.
Wenn eine Flüssigkeit kristallisiert, nimmt sie regelmäßige, identifizierbare geometrische Formen an: Man spricht hier von Periodizität. Diese Periodizität zeigt sich insbesondere im dreidimensionalen Raum: Der Kristall wiederholt seine Motive in drei Dimensionen. Bei den Zeitkristallen spielt auch die vierte Dimension eine Rolle.
Was sind Zeitkristalle?
2012 berechnete der Nobelpreisträger Frank Wilczek die Periodizität der Kristalle im Raum, aber auch in der Zeit. Theoretisch bleiben die physikalischen Gesetze im Laufe der Geschichte des Kosmos dieselben, unabhängig von der verstreichenden Zeit. Wenn ihr zum Beispiel ein Geldstück in die Luft werft, habt ihr immer 50% Wahrscheinlichkeit, dass es Kopf oder Zahl wird, egal ob die Münze eure Hand nach 10 Nanosekunden oder nach 10 Minuten erreicht.
Dieses Prinzip ist im Falle der Zeitkristalle von großer Bedeutung, denn... bei ihnen gilt es nicht. Laut Wilczek kann ein Kristall auf dieselbe Weise, mit der er die Symmetrie (die Homogenität) des Raumes bricht, in dem er sich befindet, auch die Symmetrie der Zeit brechen. So würde die Wahrscheinlichkeit, dass die Münze auf Kopf oder Zahl fällt, 50% betragen, wenn sie nach 10 Nanosekunden landet, aber die Statistiken würden anders aussehen, wenn sie erst nach 10 Minuten landen würde.
Bei den Zeitkristallen zeigt sich der Bruch der Symmetrie laut Wilczek in exotischen, thermodynamischen Prozessen wie Ionenringe, die sich auch dann noch drehen, wenn der absolute Nullpunkt erreicht ist, eine Temperatur, bei der theoretisch die Energie und dadurch auch die Bewegung und die Wärme bei Null liegen.
Zeitkristalle erschaffen – ein echtes Kinderspiel
Entgegen jeder Erwartung haben Forscher kürzlich herausgefunden, dass Zeitkristalle nicht so selten sind wie bisher angenommen. Ein wenig Ammoniumdihydrogenphosphat reicht aus, um Zeitkristalle zu erschaffen. Dieser Stoff ist ein Bestandteil von Düngemitteln, der auch in Experimentierkästen zum Kristallezüchten für Kinder verwendet wird.
Die Anwesenheit von Zeitkristallen kann festgestellt werden, indem sie einem magnetischen Impuls ausgesetzt werden. Im Gegensatz zu anderen Kristallen beginnen die Atome der Zeitkristalle in einer bestimmten Frequenz zu oszillieren, so ähnlich wie das regelmäßige Ticken einer Uhr. Dank dieser einzigartigen Eigenschaft konnten diese Kristalle entdeckt werden, die für ihren ungeordneten Charakter inmitten einer sehr geordneten Kristallstruktur, die aus Ammoniumdihydrogenphosphat erschaffen wurde, bekannt sind.
Diese Entdeckung hat die Wissenschaftler überrascht. Sie fragen sich, wie diese Strukturen im Detail entstehen. „Unsere Ergebnisse haben uns sprachlos gemacht“, sagt Sean Baret, Hauptautor der beiden erschienenen Studien. „Unsere Arbeit legt nahe, dass Zeitkristalle im Prinzip in Experimentierkästen zum Züchten von Kristallen für Kinder vorkommen können.“
Zeitkristalle: Warum ist dies eine wichtige Entdeckung?
Trotz ihrer Komplexität verdienen die Zeitkristalle besondere Aufmerksamkeit. Sie haben nicht nur einen außergewöhnlichen physikalischen Zustand, sondern könnten auch Auswirkungen auf die Quanteninformatik haben oder uns ein Mittel für den Bau von extrem präzisen Atomuhren liefern. Exotische Kristallstrukturen mit einem poetischen Namen – sie sind jetzt zum Greifen nahe.
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