Ein bisschen wie jemand, der nach einer etwas zu feucht-fröhlichen Feier nach Hause geht, eiert auch die Erde auf ihrer Achse. Dieses Phänomen ist in erster Linie auf die Bewegungen des Erdmantels zurückzuführen, aber wie es scheint auch auf den Menschen. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat die Unregelmäßigkeit der Rotation unseres Planeten zugenommen, und als Hauptverantwortlicher dafür gilt der Klimawandel.
Eine unregelmäßige Rotationsachse
Die Erde hat eine relativ runde Form, die aber etwas unregelmäßig ist. Sie braucht 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden für eine volle Umdrehung. Mehrere Faktoren wie eine ungleichmäßige Verteilung ihrer Masse und ihre Wechselwirkung mit den benachbarten Planeten führen dazu, dass weder ihre Umlaufbahn noch ihre Achse vollkommen gleichmäßig sind.
Die Erdachse ändert sich alle 6 bis 14 Jahre und führt zu dem Eindruck, dass unser lieber Planet eiert. Allerdings ist bei diesem Schwanken im Laufe des vergangenen Jahrhunderts eine nicht zu verachtende Verlagerung nach Westen um 10,5 Zentimeter pro Jahr zu beobachten. Insgesamt hat diese also inzwischen für eine Verschiebung um 10 Meter geführt. Dies geschah bis zum Beginn der 2000er Jahre, und dann kehrte sich der Kurs plötzlich um – der Nordpol verschob sich wieder nach Osten, und zwar dieses Mal um 17 Zentimeter pro Jahr.
Wer ist schuld daran?
Der Gedanke, dass die Eisschmelze die Rotation des Planeten beeinflusst, ist nicht neu. Dennoch war bisher noch nicht die gesamte wissenschaftliche Welt davon überzeugt. Die NASA hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Jahrhunderte von Daten zur Erdrotation, zur Veränderung des Wasserstandes und zu den Veränderungen der Kontinentalmassen zusammenzutragen, um sie vor dem Hintergrund der neuesten Veränderungen der Bewegungen des Erdmantels zu analysieren.
„Die gängige Erklärung ist, dass ein bestimmter Prozess, die postglaziale Landhebung [d.h. der Aufstieg von Landmassen infolge des Schmelzens der Polkappen], für die Bewegungen der Erdachse verantwortlich ist“, erklärt Surendra Adhikari, Hauptautor der Studie, die in der Zeitschrift Earth and Planetary Science Letters erschienen ist. „Aber in letzter Zait haben viele Forscher die Vermutung aufgestellt, dass andere Prozesse ebenfalls bedeutsame Auswirkungen darauf haben könnten.“
Konvektion und Eisschmelze
„Wir haben nicht nur einen, sondern drei entscheidende Prozessgruppen ausgemacht – und das Schmelzen der Kryosphäre (insbesondere in Grönland) im 20. Jahrhundert gehört dazu“, fügt er hinzu. In den vergangenen 100 Jahren hat Grönland nicht weniger als 7.500 Gigatonnen Eis verloren. Ohne dieses Gewicht, das die Landmasse herunterdrückte, dehnt diese sich aus und verteilt sich neu, nimmt mehr Platz ein, und verursacht damit unvermeidlich eine Veränderung der Rotationsachse.
Dieser Prozess ist extrem langsam und geht auf den Beginn der letzten Eiszeit zurück. Allerdings gibt es keinen Zweifel daran, dass er in letzter Zeit durch die Klimaerwärmung verstärkt wurde. Ansonsten spielen auch Konvektionsströmungen innerhalb des Erdmantels eine Rolle, aber diese können wir nicht beeinflussen. Der vom Menschen verursachte Klimawandel hingegen zeigt wieder einmal, wie unermesslich groß seine Auswirkungen auf unseren Planeten sind.