Die mittelalterliche Stadt Rungholt ist eine legendäre Stadt, die im 14. Jahrhundert in einer riesigen Flutwelle untergegangen sein soll. Ihre Existenz war bis vor wenigen Tagen noch ungewiss und wurde allgemein als Mythos und germanische Folklore angesehen. Eine neue Entdeckung hat die Karten völlig neu gemischt.
Atlantis des Nordens
Rungholt hat tatsächlich existiert. Im Januar 1362 versank die Siedlung in den nordischen Gewässern; die Marcellusflut, wie sie genannt wurde, ereignete sich tatsächlich. Sie wird auch Grote Mandrenk (das große Ertrinken) genannt. Je nach Quelle sollen in einer einzigen Nacht mehrere Tausend Menschen ums Leben gekommen sein.
Der Ursprung dieses mittelalterlichen Mythos liegt zum Teil in mündlichen Legenden, die von einer wohlhabenden Stadt erzählen, die, berauscht von ihrem Reichtum, in ihren Straßen Trunkenheit und Sünde entstehen ließ. Die Einwohner:innen seien gottlos gewesen und hätten sich wegen des vielen Geldes und des Alkohols von der Religion abgewandt.
Eine weitere Sintflut
Angesichts so vieler Ausschweifungen wurden sie angeblich mit einer Art Sintflut bestraft. Eine Erzählung, die den Interessen der Kirche perfekt diente, um ihren Einfluss und ihre Weltanschauung aufrechtzuerhalten. Die Legende besagt, dass man die Kirchtürme von Rungholt von den Tiefen der Nordsee aus hören konnte.
Doch neuen Erkenntnissen zufolge waren das alles nicht nur Legenden. Archäolog:innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben nicht weniger als 1,9 Kilometer mittelalterliche Überreste rund um eine Insel, die als Südfall bekannt ist, entdeckt.
"Die unter dem Watt verborgenen Relikte werden zunächst mithilfe verschiedener geophysikalischer Methoden wie magnetischer Gradiometrie, elektromagnetischer Induktion und Seismik lokalisiert und in einem großen Gebiet kartiert", erklärt Dennis Wilken, Geophysiker an der Universität Kiel, in einer Pressemitteilung.
Ein wiedergefundener Hafen und eine Kirche
Hanna Adler vom Geographischen Institut der Universität Mainz erklärt: "Die Überreste der mittelalterlichen Siedlungen sind bereits stark erodiert und oft nur noch als Negativabdrücke nachweisbar."
Doch trotz der Auswirkungen des Meeres und der Zeit gelang es den Forschenden dennoch, in den Überresten einen alten Hafen sowie die Grundmauern der Kirche zu erkennen.
"Damit gehört der Fund zu den großen Kirchen in Nordfriesland", erklärt Bente Sven Majchczack, Archäologe an der Universität Kiel. "Das Besondere an diesem Fund ist die Bedeutung dieser Kirche im Zentrum des Stadtgefüges", stimmt Ruth Blankenfeldt, Forscherin am Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, zu.
Verwendete Quelle:
Aus dem Französischen übersetzt von Gentside Frankreich