Mit einer Höhe von 100 Metern thront der Turm stolz im Herzen von Xi'an, einer Stadt in der Provinz Shaanxi, im Zentrum von China, einem der dichtbesiedelsten Länder der Welt. Der Turm soll dabei nicht etwa Menschen beherbergen, sondern gegen ein Problem ansteuern, das im von fossilen Brennstoffen abhängigen China weit verbreitet ist: Die Luftverschmutzung.
Einige Monate nach seiner Fertigstellung, scheint der Turm, dessen Bau im Jahr 2015 begann und der letztes Jahr fertiggestellt wurde, seine Mission mit Bravour zu erfüllen. In einem Umkreis von 10 km² schafft der Luftreiniger rund 10 Mio. m³ saubere Luft. Er säubert die verschmutze Luft von Schmutzpartikeln. Mithilfe von 12 Messstationen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Zahl gefährlicher Partikel in der Umgebung des Turms um 15% gesunken ist.
Eine passive Anlage
Der Erfolg ist einer ausgefeilten Ingenieurskonstruktion zu verdanken, die die Luft einfängt und reinigt. Und das Ganze, ohne dass die Anlage auf Energie angewiesen ist. „Das System benötigt tagsüber so gut wie keine Energie. Im Test hat alles sehr gut funktioniert“, erklärt ein zuversichtlicher Cao Junji. Das Geheimnis der Anlage liegt an den Glaskästen am Fuß des Turms.
Über eine Fläche von etwa einem halben Fußballfeld sorgen verglaste Wandungen dafür, dass sich die Luft in ihnen fängt und erhitzt, wodurch sie eine geringere Dichte hat. Da sie nun leichter ist, steigt sie nach oben und durchläuft dabei mehrere Filter die alle Schmutzpartikel aufnehmen, bis sie letzen Endes an der Spitze des Turms gereinigt austritt.
Die aktuellen Messergebnisse sind allerdings noch vorläufig. Präzisere Ergebnisse zur Effizienz des Reinigungssystems sollen Tests im kommenden März bringen.
Erwiesener Nutzen
Trotz einiger Zweifler scheint es bereits positive Auswirkungen des Luftreinigers auf die Bevölkerung in der Umgebung zu geben. So etwa bei der Besitzerin eines Restaurants, das sich etwa einen Kilometer nordwestlich des Turms befindet: „Ich habe diesen Winter eine Verbesserung der Luftqualität bemerkt, obwohl ich gar nicht wusste, wofür der Turm genutzt wird“, erklärt die Restaurantbesitzerin gegenüber der South China Morning Post. Sie fügt hinzu, dass sie sich dadurch besser fühle.
Auch ein Student der Shaanxi Normal University, nur wenige hundert Meter entfernt, ist sich sicher: „Die Luftqualität ist wirklich besser. Ich habe keine Zweifel daran. Der Turm könnte in einer von Cao Junji und seinem Team vorgesehenen zukünftigen XXL-Version noch effektiver werden.“
Ein auf 2014 datiertes Patent belegt tatsächlich, dass ein Turm geplant ist, der fünfmal größer als der jetzige ist. Seine Ausmaße wären gigantisch. So soll er eine Höhe von 500 m, einen Durchmesser von 200 m und eine Grundfläche von 30 km² haben. Der gigantische Turm soll in der Lage sein, die Luft einer ganzen Stadt zu filtern. Viele Chinesen hoffen, eines Tages auf seine Spitze zu steigen und bei klarer Sicht den Horizont zu sehen, der bislang vom Smog verschleiert wird.