Es ist nun ein Jahr her: Am 15. April 2019 wurde ein Teil der Kathedrale von Notre‑Dame de Paris von einem Feuer verwüstet, dessen Ursache immer noch unklar ist. Während seitdem bereits 90 Millionen Euro in die Baustelle zur Renovierung des Denkmals geflossen sind, läutet der Präsident Association des architectes du patrimoine (Verband der Architekten des Welterbes) Rémi Desalbres in einem von Le Point am 15. April 2020 veröffentlichten Interview die Alarmglocken.
Bürokratische Hürden
Die Baustelle von Notre‑Dame wirft ihm zufolge zahlreiche Probleme auf. Dabei geht es weniger um die zur Verfügung gestellten Mittel, die Rémi Desalbres als "mehr als ausreichend" einschätzt. Er verurteilt hingegen "die allgemeine Atmosphäre" zwischen den Fachleuten, "die einer guten Dynamik hinderlich ist". Der Architekt wünscht sich eine "bessere" Organisation und fordert, dass die Vorschriften rund um die Baustelle nicht in "Übereifer ausarten".
Die Arbeitsinspektion verordnet dermaßen strenge Regeln, dass die Arbeiter bis zu sechs Mal am Tag duschen müssen, erklärt er in Bezug auf die Regelung zum Schutz von Arbeitern, die Blei ausgesetzt sind, wie das bei Notre‑Dame der Fall ist. Stellen Sie sich das vor! Einige von ihnen haben das Handtuch geworfen und es vorgezogen, die Baustelle zu verlassen, um woanders zu arbeiten!
Dem Architekten zufolge sind die bürokratischen Hürden der letzten Monate in Bezug auf die Kathedrale die Folge eines "unantastbaren Gebots der Vorsicht, das im Übermaß angewendet wird, oder noch schlimmer, einer schlechten Kenntnis der Regeln, die manchmal fälschlicherweise eingehalten werden".
Ein fragwürdiges Gerüst
Das Baugerüst, das vor dem Brand am 15. April der Renovierung der Turmspitze von Notre‑Dame hätte dienen sollen, ist ebenfalls ein Sorgenpunkt der Baustelle. Es muss nun abgebaut werden, wobei dieser Vorgang ebenfalls Risiken birgt und Zeit kostet.
Wir haben heute diese überdimensionierte Struktur, die mit einem Gewicht von 500 Tonnen eine Bedrohung für das Monument darstellt, … Das Gerüst war nicht nur teuer in der Aufstellung, sondern hätte fast das zerstört, was vom Feuer verschont geblieben war, beklagt Rémi Desalbres.
Frist von 5 Jahren sicherlich haltbar
Im Hinblick auf die 90 Millionen Euro, die bereits in die Baustelle geflossen sind, meint der Architekt:
Um eine Ausuferung zu vermeiden und Verschwendung entgegenzuwirken ist es an der Zeit, die Situation gründlich zu analysieren, einen Zeitplan und ein vorläufiges Budget für die Restaurierung festzulegen, und sich den Wettbewerb zwischen den Firmen zunutze zu machen.
Wenn das alles unternommen wird, ist Rémi Desalbres der Meinung, dass die von Emmanuel Macron gesetzte Frist von fünf Jahren für den Wiederaufbau des Gebäudes "sicherlich haltbar" sei:
Wir müssen uns schnell daran machen, das Gewölbe zu restaurieren, das gut erhalten ist, was eine rasche Wiedereröffnung für Gottesdienste und Besuche ermöglichen würde, erklärt er.
Danach wird ein "riesiger Regenschirm" als Dachersatz aufgestellt "während die Arbeiten zum Wiederaufbau des Daches abgeschlossen werden".