Weltweit leiden fast 30 Millionen Menschen an Alzheimer. Es handelt sich um eine regelrechte Pandemie, für die bislang keine Behandlungsmethode gefunden werden konnte.
Aber seit Kurzem besteht wieder Hoffnung, dass Alzheimer eines Tages besiegt werden könnte: Forscher:innen haben einen Verdächtigen identifiziert. Auf der Anklagebank sitzt ein möglicher Schuldiger, mit dem wohl niemand gerechnet hätte: Der Herpesvirus.
Meine neueste Studie zeigt ein Mittel gegen die Krankheit Alzheimer auf. Ich habe nachweisen können, dass der Herpesvirus eine der Ursachen von Alzheimer ist.
So erklärt Professorin Ruth Itzhaki auf der SeiteThe Conversation. Sie forscht seit über 25 Jahren in ihrem Laboratorium an der Universität von Manchester in Großbritannien daran, diesen möglichen Zusammenhang zu belegen.
Neuer Verdächtiger: Herpesvirus
Der Verdächtige ist unter dem Namen Herpesvirus Simplex Typ 1 alias HSV-1 bekannt. Es handelt sich um den Krankheitserreger, der für Lippenherpes bekannt ist, welches man auch als "Fieberbläschen" bezeichnet.
Der Virus infiziert in der Regel Personen bereits im Kindesalter und verbleibt im Ruhezustand im Körper, wo er durch einen Stresszustand des Organismus wieder aktiviert wird.
Es wird vermutet, dass sich dieser heimtückische Krankheitserreger im peripheren Nervensystem aufhält, also in Nerven und Lymphknoten außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks. Allerdings wird dieses Versteck in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt.
Ein überraschender Zusammenhang
"1991 haben wir entdeckt, dass bei vielen älteren Menschen der Virus HSV-1 auch im Gehirn vorhanden ist", verrät Ruth Itzhaki. Eine überraschende Entdeckung, die die Wissenschaftlerin und ihr Team dazu bewegte, weitere Nachforschungen anzustellen. Die Forscherin erklärt einen potentiellen Wirkmechanismus des Krankheitserregers und erläutert:
1997 haben wir bewiesen, dass ein hohes Alzheimer-Risiko besteht, wenn [HSV-1] im Gehirn von Personen vorkommt, die ein spezifisches Gen haben, das unter dem Namen APOE4 bekannt ist. Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, ist bei Menschen mit dem Gen APOE4, deren Gehirn mit dem Virus HSV-1 infiziert ist, 12 Mal größer.
Kumulative Schäden
Der Virus kann im Gehirn aktiv werden, und das vielleicht auch mehrfach, was wahrscheinlich zu kumulativen Schäden führt. Wir und auch andere Forscher haben herausgefunden, dass die Infektion von Zellkulturen mit HSV-1 zu einer anormalen Erhöhung des Beta-Amyloids und der Tau-Proteine. Die Ansammlung genau dieser Proteine im Gehirn ist bei einer Alzheimer-Erkrankung zu beobachten.
Die Identifikation der bisher unbekannten Auswirkungen dieses Virus ist also der Beginn der Entwicklung wirksamer Mittel gegen die Entstehung dieser neurodegenerativen Krankheit, hofft Ruth Itzhaki:
Diese Daten lassen vermuten, dass antivirale Mittel für die Behandlung von Alzheimer verwendet werden könnten. In einer früheren Studie haben wie herausgefunden, dass Aciclovir, ein antivirales Medikament gegen Herpes, die DNA-Synthese des Virus HSV-1 hemmt und die Konzentration des Beta-Amyloids und der Tau-Proteine senkt, die zuvor durch die Infektion von Zellkulturen mit dem Herpesvirus gesteigert wurde.
Ein noch unsicherer Hoffnungsschimmer
So vielversprechend diese Entdeckungen auch sein mögen – die Hoffnungen, die sie wecken, sind mit Vorsicht zu betrachten, wie die Spezialistin selbst betont jedoch, dass mit diesen Studien nur ein Zusammenhang zwischen Virus und Krankheit aufgezeigt wird. Doch es ist keineswegs gesagt, dass der Virus die Krankheit verursacht. Eine Korrelation ist eben nicht mit Kausalität gleichzusetzen.
Doch obwohl die Ergebnisse mit Vorsicht behandelt werden sollten, dürften die ersten Versuche einer präventiven Behandlung mithilfe der Bekämpfung des Herpesvirus erste Erfolge zeigen.
Der Erfolg der präventiven Behandlung von Alzheimer mithilfe von spezifischen Anti-Herpes-Mitteln bei einer großen Testreihe in Taiwan ist sehr ermutigend. Mit etwas Glück werden diese Informationen in anderen Ländern zu den selben Ergebnissen führen, sobald sie weiter verbreitet werden.
So hofft die emeritierte Professorin in molekularer Neurobiologie. Die Hoffnung darauf, die neurodegenerative Pandemie endlich einzudämmen, ist heute jedenfalls größer als je zuvor!