Längst schon befinden sich russische Truppen in der Ukraine, Bilder von zerstörten Gebäuden prägen Teile des Landes und mehr als 100.000 Menschen sind auf der Flucht. Die aktuelle Lage hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj dazu gebracht, die allgemeine Mobilmachung anzuordnen. Das bedeutet, dass alle Reservisten (also ehemalige Soldat:innen, die ihren Dienstgrad aber noch innehaben) und alle Wehrpflichtigen einberufen werden. Ist es aber auch möglich, deutsche Reservist:innen wieder zum Gang zur Waffe zu verpflichten?
Viele Reservist:innen sind bereit zu helfen
Nach dem Angriff der Ukraine scheint die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht die Einberufung von Reservist:innen der Bundeswehr nicht ausschließen zu möchten. Sofort davon betroffen wären laut RND ungefähr 20.000 Soldat:innen; laut Reservistenverband sind insgesamt ungefähr eine Millionen Menschen "wehrrechtlich verfügbar".
Verbandspräsident Oberst d.R. Patrick Sensburg bewertet die Lage wie folgt:
Die unfassbaren Bilder aus der Ukraine wecken das Verantwortungsgefühl vieler Reservistinnen und Reservisten. Wir können der Bundeswehr und der Bevölkerung signalisieren: Wir sind da, wenn wir gebraucht werden. Und das wird sicherlich der Fall sein, nicht zuletzt im Rahmen einer zu erwartenden Flüchtlingswelle oder für Sicherungsaufgaben.
Keine Verpflichtung für Reservist:innen
Die momentane Lage erlaubt jedoch keine verpflichtende Heranziehung, diese ist laut Reservistenverband "außerhalb des Spannungs- und Verteidigungsfalles nicht möglich." Dafür bedarf es erst eines Antrags der Bundesregierung mit folgender Abstimmung (der Bundestag müsste mit einer Zweidrittel-Mehrheit dafür stimmen). Kommt es zum Verteidigungsfall, muss laut Der Westen "auch der Bundesrat mit absoluter Mehrheit der Stimmen zustimmen."
Ist es möglich, den Dienst zu verweigern?
Sollte einer der beiden Fälle eintreten, greift der Paragraph 1 des Wehrpflichtgesetzes, welcher vorsieht, dass alle Männer, die älter als 18 sind sowie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wehrpflichtig sind. Ähnlich wie in der Ukraine sind auch Männer bis zum 60. Lebensjahr davon betroffen.
Die Deutsche Botschaft in Seoul schreibt dazu:
Der neu eingeführte § 2 Wehrpflichtgesetz (WPflG) setzt die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes zum 1. Juli 2011 aus. Damit ist die Wehrpflicht nicht abgeschafft, lebt aber nur auf, wenn der grundgesetzlich geregelte Spannungs- oder Verteidigungsfall festgestellt wird.
Es ist allerdings auch noch immer möglich, den Kriegsdienst zu verweigern. Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes besagt, dass niemand zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. Die Verweigerung muss schriftlich geschehen und an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben geschickt werden.