Angesichts der aktuellen Verluste Russlands, wie zum Beispiel die Stadt Cherson, die zurück in den Besitz der Ukraine gefallen ist, fragt man sich, ob Russlands Staatschef dem Krieg endlich von seiner Seite aus das Ende erklärt.
Das Ende des Krieges?
Der amerikanische Historiker Timothy Snyder erklärt im Interview mit t-online, wann Putin sich aus dem Krieg zurückziehen könnte. Angeblich könnte "Russland selbst im Chaos versinken, wenn Wladimir Putins Macht schwindet", so t-online.
Snyder ist da anderer Meinung. Laut ihm müsste Russland den Krieg verlieren, um sich von seinem Imperialismus zu verabschieden. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Fehlschläge Russlands auf Putins Macht hätten, antwortet Professor Snyder:
Eine Tatsache wird umso deutlicher, je länger der Krieg dauert: Putin beherrscht Russland keineswegs uneingeschränkt. Es gibt andere mächtige Akteure, die ihre Interessen ebenfalls durchsetzen wollen.
Andere Machthaber neben Putin
So gäbe es beispielsweise Jewgeni Prigoschin, auch laut Frankfurter Rundschau als "Putins Koch" bekannt. Der Gründer der "berüchtigten Söldnerarmee Gruppe Wagner" sei "mittlerweile ungewöhnlich mächtig" für Russland und übe immer wieder Kritik an der Führungskraft aus. Laut Snyder wolle Prigoschin aus diesem Grund, dass der Krieg weitergeht. Er sagt:
Für ihn sind die Kämpfe die beste Werbung, er nutzt den Krieg, um sich zu profilieren. In Moskau herrscht ein Konflikt um Macht und Einfluss. Unser Wissen über das Machtgefüge im Kreml ist leider beschränkt. Aber Prigoschin und seine Söldner konkurrieren mit den Streitkräften.
"Wie lange wird der Krieg voraussichtlich noch dauern?"
Auf die Frage, wie lange der Krieg wohl noch andauern würde, reagiert Snyder gegenüber t-online wiefolgt:
Wenn Putin seine Position im Kreml gefährdet sieht – genau dann wird der Krieg enden. Falls Putin die Bedrohung rechtzeitig erkennt. Im Umkehrschluss tun die Ukrainer genau das Richtige, indem sie weiterkämpfen und Territorium für Territorium zurückerobern.
"Er zeigt Anzeichen eines Kontrollverlusts"
Dass die Ukraine weiterkämpft, wäre das Einzige, was bei Putin für Leistungsdruck sorge, denn "die Niederlagen in der Ukraine vermitteln ihm ein Gefühl der Gefährdung seiner Machtposition in Russland". Snyder fährt fort:
Für ihn ist es schlimm, in der Ukraine zu verlieren. Aber es ist noch weit schlimmer, in Russland zu verlieren. [...]. Putin zeigt deutliche Anzeichen eines Kontrollverlusts. Anfangs hat er immer nur von einer 'militärischen Spezialoperation' gegen die Ukraine gesprochen, das Wort 'Krieg' sogar verbieten lassen.
Immer mehr Fehler
Putin würde sich immer mehr Fehler erlauben. Einer davon sei die Teilmobilisierung, die der russische Staatschef eigentlich hat vermeiden wollen. Die schließliche Ausführung würde "die Schwäche des Präsidenten" verraten, so Snyder gegenüber t-online.
Ein weiterer eindeutiger Fehler sei unter anderem der Verlust der Stadt Cherson, die laut Putin für immer "russisch" sein sollten, doch Wochen später geraten sie zurück in ukrainischen Besitz.
Nur ein psychologischer Trick von Putin
"Spätestens seit diesem Ereignis ist klar, dass auch Putin den Zwängen der Realität unterliegt", äußert sich der Experte weiter. Er sagt:
Jetzt kann jeder sehen, dass Russland die eroberten Gebiete auf Dauer nicht sichern kann und dass Putins Ideologie keinerlei Überzeugungskraft für die Menschen in den besetzten Regionen entfaltet.
Weiterhin sei Putins Atomdrohung "schlichtweg ein psychologischer Trick" und "beschämend". Doch genau wegen dieser Angst vor einem möglichen Atomkrieg machen wir uns im Westen selbst zum "Opfer der russischen Aggression". Das eigentliche Opfer seien jedoch die Einwohner:innen der Ukraine und nicht etwa die Deutschen, Amerikaner:innen oder Brit:innen.
Verwendete Quellen:
t-online: '"Putin zeigt Anzeichen eines Kontrollverlusts"'
Frankfurter Rundschau: 'Prigoschin wird immer mächtiger – Von "Putins Koch" zur "Stimme des Volkes"'