Seit Beginn des Ukraine-Kriegs fürchten sich einige Bewohner:innen von NATO-Mitgliedsstaaten vor einem Krieg, der auch ihre Heimat erreichen könnte. Bernd Schütt hält insbesondere die Nordostflanke der NATO für deren Achillesferse.
Glaubwürdigkeit und Abschreckungspotenzial
Bislang ist die Russische Föderation davor zurückgeschreckt, Länder anzugreifen, die der NATO angehören (bisweilen reicht es lediglich für Drohgebärden). Generalleutnant Bernd Schütt erklärt gegenüber der dpa die bisherige Zurückhaltung u. a. mit der Präsenz von NATO-Truppen im Baltikum:
Das ist mehr als ein Stolperdraht. Da wird sich Putin sehr gut überlegen müssen, wie die Reaktion ausfällt. Eine glaubwürdige Abschreckung ist zentral. Die Glaubwürdigkeit machen aus meiner Sicht drei Dinge aus. Sie haben einen ausführbaren Plan, der mit dementsprechenden Kräften und Fähigkeiten hinterlegt ist. Und sie deklarieren, dass sie bereit sind, diese Kräfte einzusetzen.
In kriegerischen Auseinandersetzungen sei insbesondere bei Angriffen eine gute Vorbereitung von großer Bedeutung. Glaubt man Medienberichten, lässt sich diese bei den Russen teilweise nur schwer erkennen.
Der Suwalki-Korridor: Hier könnte es brenzlig werden
Trotzdem wachsen die Befürchtungen, dass es v. a. in der Exklave Kaliningrad zu einem Angriff kommen könnte. Der sogenannte Suwalki-Korridor, auch als Suwalki-Lücke bekannt, sei eine besondere Schwachstelle. Das Gebiet liegt zwischen Polen und Litauen; im Nordwesten grenzt es an Kaliningrad (welches sich als Exklave außerhalb seines eigentlichen Staatsgebiets befindet) und im Süden an Belarus, einem Verbündeten Russlands. Für die NATO ein geopolitisches Problem. Das RND zitiert Schütt mit folgenden Worten:
Im Bereich der Suwalki-Lücke ist es nur ein kurzer Sprung und dort ist die Gefahr einer Testung des Verteidigungswillens und der -fähigkeit der Nato relativ groß. In diesem Raum kann man relativ schnell Truppen verlegen und dann zum Beispiel unter Einsatz von Luftlandetruppen einen ersten Stoß durchführen.
Deshalb sei es wichtig, vor Ort Verstärkung zu haben und sich dementsprechend vorzubereiten, u. a. in den Bereichen "Landes- und Bündnisverteidigung". Schütt gegenüber der dpa:
Das, was auf uns zukommen könnte, hat natürlich noch eine ganz andere Dimension. Das Einsatzführungskommando ist in Einsatzgruppen unterteilt, die unter anderem von Mali bis hin zu den maritimen Einsätze strukturiert wurden. Jetzt steht mit der Landes- und Bündnisverteidigung ein riesiger zusätzlicher Elefant im Raum, der Anpassungen erforderlich macht, um Beides bewältigen zu können.
Mehr Informationen:
⋙ Selenskyj warnt Europa vor russischem Angriff wegen möglichen EU-Beitritts der Ukraine
⋙ Melnyk wirft Deutschland Schuld an Ukraine-Toten vor: "Versprechen reichen nicht"