Seit dem Angriff auf die Ukraine vergeht kein Tag, an dem nicht über Wladimir Putin berichtet wird. Geht es nicht um seinen angeblich desolaten Gesundheitszustand, melden sich alte Bekannte zu Wort. Einer von ihnen ist Sergey Jirnov. Der Ex-KGB-Mitarbeiter spricht mit der Nachrichtenagentur AFPnicht nur über die vermeintlichen Gründe des Überfalls auf das Nachbarland, sondern auch darüber, wie er den russischen Präsidenten und dessen Handeln einschätzt.
Auslöser für den Krieg
Die offizielle Version Moskaus lautet, dass Putin den Militäreinsatz befiehlt, um dem angeblichen Völkermord von Russ:innen innerhalb der Ukraine Einhalt zu gebieten und das Land zu "entnazifizieren". Mit Putins eigenen Worten hört sich dies laut Euractiv wie folgt an:
Das Ziel ist es, die Menschen zu schützen, die seit acht Jahren von dem Kiewer Regime schikaniert und ermordet werden. Und dafür werden wir uns um die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine bemühen und diejenigen vor Gericht bringen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich der Bürger:innen der Russischen Föderation, begangen haben.
Sergey Jirnov ordnet den Angriff jedoch ganz anders ein. Der Krieg sei für Putin vor allem ein Mittel, um sich selbst ein Denkmal zu setzen, unabhängig davon, wie dieses bewertet wird:
Ich denke, dass er in die Geschichte eingehen will und sei es als größter Mistkerl und schlimmster Diktator.
Jirnov ist kein Freund von Putin
Wirklich grün scheinen sich die beiden damals schon nicht zu sein. Bereits beim ersten Zusammentreffen soll es zu einer Auseinandersetzung gekommen sein. Jirnov erinnert sich an einen Vorfall, der sich während der Olympischen Spiele in Moskau ereignet: Er habe damals zu lange mit einem anderen Anwesenden auf Französisch gesprochen. Putin wirft ihm daraufhin vor, als Spion für die Franzosen zu agieren.
Viele Jahre später hat er in seinem Buch L'engrenage ("Verstrickung") auch nur wenig warme Worte für seinen ehemaligen Kollegen übrig:
Er ist Russe wie ich, aber er verkörpert alles, was ich nicht mag: Zynismus, Verlogenheit, fehlendes Mitgefühl, Brutalität.
Bereits vor einem Monat erzählt er in einem Interview mit der Welt, weshalb sich die Wege der beiden abrupt trennen:
Wir kamen in demselben Jahr an das Andropow-Institut, die Eliteschule, in der die Spione ausgebildet wurden. Ich wurde in die Abteilung „S“ aufgenommen, bei den „Illegalen“, der angesehensten des KGB. Putin dagegen wurde als nicht für den Spionagedienst tauglich eingestuft, da er „nicht in der Lage war, die Folgen seiner Entscheidungen angemessen einzuschätzen“, was sowohl für ihn als auch den Geheimdienst zu gefährlich sei. Er wurde sofort aussortiert und wieder nach Leningrad geschickt.
In seinem Buch wird er dann sogar noch deutlicher:
Ich hatte einen Mann vor mir, der in seiner Karriere als Geheimagent gescheitert war, weil er nicht intelligent genug war, zudem übertrieben ehrgeizig und verblendet.
Schon seit vielen Jahren lebt Jirnov im französischen Exil. Mit seiner alten Heimat verbindet ihn vor allem noch sein politisches Engagement. Der heutige Journalist gilt als scharfer Kritiker des Kreml-Chefs; dies habe bereits zu einem Vergiftungsversuch geführt. Trotzdem lässt er sich nicht davon abhalten, vor allem in Frankreich als Russland- und Putinexperte zu fungieren. Dies biete ihm angeblich einen höheren Schutz.
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