In vielen Ländern scheinen die Impfkampagnen, das erhoffte Ergebnis zu bringen. Die Sieben-Tages-Inzidenz sinkt, die Abschaffung der Maskenpflicht steht bevor.
Doch ein Land, das bis jetzt als ein Vorreiter in Sachen Impfen galt, muss seine Corona-Maßnahmen nun wieder stark verschärfen. In Chile steigen die Zahlen wieder.
Chile impft effizient
Das südamerikanische Land sticht durch seine ambitionierte Impfstrategie gegenüber seinen Nachbarländern hervor. Fast neun der fast 20 Millionen Einwohner sind vollständig geimpft.
2,5 Millionen haben ihre erste Impfdosis erhalten. Ziel des Landes ist, die Marke von 75% zu erreichen: Sind drei Viertel einer Bevölkerung geimpft, geht man von einer Herdenimmunität aus.
Damit werden große Ausbrüche unwahrscheinlich. Mittlerweile hat Chile bis jetzt 58% dieser angestrebten 75% geimpft. Im August werden voraussichtlich die drei Viertel erreicht sein.
Ist der Impfstoff weniger wirksam?
Allein Israel ist das Land, das einen höheren Anteil der Bevölkerung vollständig geimpft hat als Chile. Hier sinkt die Sieben-Tages-Inzidenz langsam gegen Null.
In Chile explodieren jetzt aber trotz dieser Statistiken wieder die Fallzahlen. Die Krankenhäuser kommen an ihre Grenzen. Expert:innen finden die Erklärung für diese Entwicklung im jeweils verwendeten Impfstoff.
Israel verabreicht nämlich ausschließlich die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna. In Chile haben mehr als drei Viertel das chinesische Vakzin Sinovac bekommen.
Sinovac ist kein mRNA-Impfstoff und schützt in Chile anscheinend nur zu etwa 63 Prozent vor symptomatischen Erkrankungen und schweren Verläufen, während die mRNA-Impfstoffe von eine Wirksamkeit von etwa 95 Prozent vorweisen.
Die Wirksamkeit von Sinovac gegen eine Ansteckung ist vielleicht sogar noch geringer. Womöglich schützt er kaum vor der Gamma-Variante P.1, die jetzt in Chile vorherrschend ist.
Lockdown-Verdrossenheit und wirtschaftliche Notlage
Neben den Problemen mit der Wirksamkeit kämpft Chile auch mit einer Lockdown-Verdrossenheit, die durch die wirtschaftliche Notlage noch verstärkt wird.
Die vergangenen Monate sind von einem Hin und Her mit wechselnden Lockdown-Bestimmungen geprägt. Den Menschen reicht es, zudem haben die Verordnungen immer für Verwirrung gesorgt.
Die Intensivmedizinerin Marcela Garrido, Leiterin der Epidemiologie am Klinikum der Universidad de los Andes in Santiago de Chile, sagt hierzu der chilenischen Tageszeitung La Tercera:
Die Menschen verlieren den Respekt vor den Maßnahmen, und die Menschen bleiben nicht mehr zu Hause - das hat ökonomische aber auch mentale Gründe.
Die chilenischen Einwohner haben nicht dieselbe Freiheit, wie die Deutschen, wenn es ums Homeoffice geht. Sie haben auch größtenteils keine festen Arbeitsverträge.
So bringt der ökonomische Druck Viele dazu, das Haus trotz aller Anweisungen zu verlassen. Angesichts der hohen Impfquote fühlen sich die Menschen in Chile zudem fälschlich sicher.
Sie achten weniger auf Schutzmaßnahmen. Ganz abgesehen davon beginnt in Chile gerade der Winter, was vielleicht auch die Zahl der Neuinfektionen in die Höhe treibt.