Am vergangenen Donnerstag hebt die Senatsgesundheitsverwaltung überraschend die Priorisierung für alle Corona-Impfungen in Berliner Praxen auf.
Seit gestern gilt das Angebot nun und wie von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KVB) befürchtet, werden die Berliner Ärzte von dem Andrang Impfwilliger regelrecht überrannt.
Ein voreiliger Beschluss
Viele verurteilen den Beschluss des Senats als vorschnell, denn es gibt gar nicht genug Impfdosen, um Patienten ohne Priorisierung zu impfen, wie die Arzthelferin Manon Behrendt aus Zehlendorf gegenüber der Berliner Zeitung berichtet:
Wir haben für diese Woche nur 48 Dosen, die für die Patienten mit Prioritäten bestimmt sind.
Dennoch klingelt in der Praxis seit Montagmorgen ununterbrochen das extra dafür eingerichtete Impftelefon. Und so läuft es in allen 2200 Impfpraxen der Stadt.
Die Menschen wollen sich den versprochenen Impftermin sichern, müssen jedoch vertröstet werden. Dabei reagieren einige nicht gerade friedlich auf die Ablehnung.
Frust und Beleidigungen
Trotz Aufhebung der Priorisierung müssen die Ärzte weiter vorrangig nach Priorität impfen, denn noch immer sind unzählige chronisch kranke Patienten nicht geimpft.
Bei Patienten ohne Priorität sorgen die Absagen für Frust. Viele argumentieren oder beleidigen die Mitarbeitenden der Praxen. Dabei sind diese die Letzten, die etwas für dieses Chaos können.
Denn es steht einfach nicht genug Impfstoff zur Verfügung, um ihn jedem zu geben, der möchte. Der Verbandschef der Berliner Hausärzte beschreibt die Situation sehr treffend:
Das ist so, als würde man auf dem Münchener Oktoberfest Freibier versprechen und nur drei Fässer Bier sind da.
Erst vor einigen Wochen halbiert der Bund die eingeplanten Biontech-Impfdosen für die Hausarztpraxen. Das ist nur ein Beispiel, wie schnell die Lage aus dem Gleichgewicht geraten kann.
Kommunikationsdestaster
Auch Gesundheitspolitiker Thomas Isenberg von der SPD sieht sich durch das Chaos bestätigt, er warnt davor, dass bei diesem Vorgehen am Ende ein "Sieg der Ellenbogen" zu befürchten ist.
Wolfgang Albers von der Linken spricht von einem "Kommunikationsdesaster". Nun lenkt auch die Gesundheitsverwaltung ein und spricht nur noch von einer "bedingten Aufhebung".
Schon seit Wochen spricht sich die STIKO gegen eine solche Entscheidung aus und sieht das richtige Vorgehen in der Weiterführung der Impf-Priorisierung.
Nach wie vor haben die priorisierten Gruppen Vorrang. Erst wenn es genug Impfstoff gibt, womit die Experten ab Juni rechnen, können auch alle anderen einen Termin bekommen.
Ist dieses Chaos womöglich eine Warnung? Das muss nun der Bund entscheiden. Jens Spahn gibt jedenfalls kürzlich bekannt, dass die Priorisierung für ganz Deutschland am 7. Juni fallen soll.