Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2023 ist Wolfgang Schäuble, der bis dahin am längsten amtierende Bundestagsabgeordnete und mehrfache Merkel-Minister, im Alter von 81 Jahren verstorben. In wenigen Tagen sollen nun posthum seine Memoiren veröffentlicht werden. Darin sprach er auch von einem möglichen Putschversuch gegen Merkel – aus den eigenen Reihen!
Schäuble stand grundsätzlich hinter Merkels Entscheidungen – auch 2015
Wie der Stern anhand von ihm vorliegenden Auszügen aus dem Buch Erinnerungen. Mein Leben in der Politik berichtet, soll Schäuble dem Kurs in Sachen Flüchtlingskrise der damaligen Kanzlerin zunächst wohlwollend gegenübergestanden haben:
Als die Kanzlerin am 4. September 2015 die im Rückblick für diese Krise zentrale Entscheidung traf, die Grenzen angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu tausenden gestrandet waren, weiterhin offenzuhalten, fand ich dies aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig. Auch Merkels Ende August 2015 geäußerten Satz 'Wir schaffen das!' fand ich richtig.
Allerdings habe er sich im Laufe der Jahre eine andere Art der Führung gewünscht – seiner Meinung nach hätte die Regierungschefin viel mehr Möglichkeiten gehabt, zu agieren statt nur zu reagieren. Auch hätte er sich eine bessere und klarere Information in Richtung der Bürger:innen gewünscht.
"Merkel stürzen": Doch das scheinen vor allem in der CSU nicht alle getan zu haben
In den Auszügen wird weiterhin deutlich, dass es laut Schäuble in den eigenen Reihen sehr viel Kritik an der Politik von Angela Merkel gegeben haben soll. Im Herbst 2015 hätte Edmund Stoiber, der einstige Ministerpräsident von Bayern, einen Putsch vorgeschlagen:
Höhepunkt war der CSU-Parteitag, als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende (Horst Seehofer) der Kanzlerin wie einem Schulmädchen die Leviten las. Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.
Dies hätte er jedoch niemals mit seinem Verständnis von Loyalität vereinbaren können. Außerdem hätte ein solcher "Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur [geschadet], ohne das Problem wirklich zu lösen."
Stoiber verweigert Stellungnahme, Seehofer dementiert einen solchen Plan
Auf Anfragen der dpa und des Spiegels reagierte man vonseiten der CSU mit gemischten Gefühlen: Edmund Stoiber betonte, dass er sich diesbezüglich – ebenso wie zu früheren Aussagen des mittlerweile Verstorbenen – nicht äußern werde.
Und Horst Seehofer dementiert derweil gegenüber der Augsburger Allgemeinen, je von einem solchen Plan gehört zu haben:
Edmund Stoiber hat mit mir nie über eine Ablösung von Angela Merkel gesprochen - auch weil völlig klar war, dass er mich für so einen Weg nie hätte gewinnen können.
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Verwendete Quellen:
Stern: VERSTORBENER CDU-POLITIKER: Schäuble-Memoiren: Stoiber plante Putsch gegen Merkel
Spiegel: Posthum veröffentlichte Memoiren:Stoiber soll laut Schäubles Erinnerungen Merkel-Sturz geplant haben