Besondere Aufmerksamkeit erregt die Abtreibungsdebatte im Anschluss an die hochaktuellen Ereignisse in den Vereinigten Staaten. So wird bereits im Mai 2021 mit dem sogenannten Heartbeat Law ein Gesetz im US-Bundesstaat Texas verabschiedet, das eine Abtreibung verbietet, sobald beim Kind ein Herzschlag nachweisbar ist.
Dies ist bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche möglich – ein Zeitpunkt, zu dem viele Frauen sich ihres Zustandes noch gänzlich unbewusst sind.
Verbotene Abtreibungen
Rund ein Jahr später, am 24. Juni 2022, wird nun auch das Urteil "Roe vs. Wade" durch den mit republikanischer Richtermehrheit dominierten Supreme Court gekippt und außer Kraft gesetzt. Laut Guttmacher Institute haben insgesamt 13 US-Staaten Abtreibungen demnach in Gänze verboten (Stand Juli 2022). Weitere 22 Staaten sollen beabsichtigen, Gesetze mit unterschiedlicher Restriktion zu verabschieden.
Besonders umstritten: Nur eine Handvoll der betroffenen Staaten machen Ausnahmen im Falle von Inzest und/oder Vergewaltigung. So war ein 10-jähriges Vergewaltigungsopfer in Folge der Gesetzesänderung gezwungen, nach Indiana zu reisen, um dort eine Abtreibung durchführen zu lassen. In ihrem Heimatstaat Ohio wurde ihr der Schwangerschaftsabbruch untersagt.
Angst der Ärzt:innen vor Fehler
Hinzu kommt, dass Abtreibungen laut Gesetz zwar gestattet sind, sobald das Leben der Mutter in Gefahr schwebt; was als eine solche „lebensbedrohliche“ Situation angesehen wird, ist jedoch kaum definiert. Infolgedessen weigern sich Ärzt:innen aus Angst vor rechtlichen Folgen vermehrt, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen.
Dass diese Haltung fatale Folgen haben kann, zeigt sich unter anderem bei einem Fall, der sich vor rund 10 Jahren im katholischen Irland ereignet hat. Die damals 31-jährigen Savita Halappanawar kommt mit starken Unterleibsschmerzen in ein Krankenhaus. Dort wird ihr mitgeteilt, dass eine Fehlgeburt wahrscheinlich unvermeidbar sei.
Da das Kind jedoch noch einen Herzschlag hat, ist es den Ärz:innen nicht gestattet, eine Abtreibung vorzunehmen. Wenige Tage nach ihrer Einlieferung verstirbt die junge Zahnärztin an den Folgen einer Blutvergiftung - und mit ihr, ihr zum Tode verurteilter Fötus.
Abtreibungsthematik in Deutschland
Auch in Deutschland ist die Abtreibungsthematik aufgrund der Diskussion um den Paragraphen 218 und 219a StGB, sowie die Streichung des letztgenannten wieder hochaktuell. Es geht dabei jedoch nicht um das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern die sogenannte (Be-)Werbung von diesen. Dieses „Werbeverbot“ untersagte es Ärzt:innen nicht nur, kenntlich zu machen, dass diese Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, sondern verbot es ihnen ebenso, über Abtreibungen und die entsprechenden Risiken aufzuklären.
Generell ist Abtreibung in Deutschland verboten, es sei denn, man folgt den sogenannten Beratungsregeln nach § 218a StGB. Verlangt eine Schwangere den Eingriff, muss sie sich demzufolge mindestens drei Tage vor dem Termin in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen und dem behandelnden Gynäkologen eine Beratungsbescheinigung vorzeigen.
Eine Abtreibung ist im Allgemeinen bis zur einschließlich zwölften Schwangerschaftswoche möglich. Ebenfalls straflos bleiben Abbrüche, die eine schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen und/oder seelischen Gesundheit der Mutter bedeuten würden oder aus einer Vergewaltigung resultieren.
"Pro-Life"
Die Meinungen über Abtreibungen und entsprechende Gesetze sind deutlich gespalten. So argumentieren Anhänger:innen der sogenannten "Pro Life"-Bewegung in erster Linie, dass das menschliche Leben mit der Empfängnis beginne und Schwangerschaftsabbrüche dementsprechend als Mord zu verstehen seien.
Anhänger:innen der "Pro Choice"-Bewegung argumentieren wiederum vorrangig mit dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung, den gesundheitlichen Risiken eines Abtreibungsverbots und den oben genannten Ausnahmefällen wie Inzest, Schwangerschaft von Minderjährigen oder Vergewaltigung.
Seit 1974 findet in Washington D.C. am Jahrestag der Urteilsverkündung von "Roe v. Wade" der sogenannte Marsch für das Leben statt. Ähnliche Protestbewegungen gibt es auch in anderen Städten wie Chicago und San Francisco. In Folge der aktuellen Ereignisse gingen nun auch weltweit viele hunderttausend Menschen auf die Straße, um für oder gegen die Abtreibungsverbote zu protestieren. Welche Entwicklungen in den kommenden Monaten und Jahren auf uns zukommen, bleibt jedoch abzuwarten.
Mehr zu dem Fall "Roe vs. Wade" erklären wir euch in unserem Video.
Verwendete Quelle:
Guttmacher Institute: 'Abortion'