Kennst du das? Du schreibst mit einer Person, als diese plötzlich und ohne Vorwarnung beschließt, dich anzurufen. Du lehnst den Anruf ab und erfindest eine Ausrede, weil du einfach keine Lust aufs Telefonieren hast. Whatsapp-Nachrichten, Instagram-DMs und Snapchat-Nachrichten sind für dich in Ordnung. Aber warum telefonieren vor allem junge Menschen so ungern?
Angst vor dem Telefonieren
Ist es eine Generationsfrage, ob man gerne telefoniert oder nicht? Für Gabriele Raimondi, den von Vice zitierten Vorsitzenden des Psychologenrates der italienischen Region Emilia-Romagna, trifft dies teilweise zu:
Die Menschen sind nicht mehr wirklich daran gewöhnt. Junge Leute ersetzen Anrufe durch Posts in den sozialen Medien, Nachrichten und Sprachnachrichten.
Wir alle haben den Reflex, mit Sprachnachrichten zu antworten, aber nie die Initiative zu ergreifen, die Person direkt anzurufen.
Um dieses Paradoxon zu rechtfertigen, verweist der Psychologe auf die Unmittelbarkeit eines Anrufs. In einem Echtzeit-Austausch mit einer Person bleibt nur sehr wenig Zeit, um über die Antwort nachzudenken, und sie muss der anderen Person unbedingt passen. Gabriele Raimondi erklärt:
Die Rückmeldung erfolgt unmittelbar, so dass wir immer Gefahr laufen, sie falsch zu interpretieren und unsere Fehler als Bestätigung unserer Ängste zu deuten.
Eindringen in die Privatsphäre
Nach den durch die Pandemie verursachten Lockdowns hat sich die Art der Kommunikation weiterentwickelt. In diesen schwierigen Zeiten wurden soziale Kontakte oft über Smartphones geknüpft. Der italienische Psychologe beschreibt dieses Phänomen für Vice als eine "Eindringen in die Privatsphäre". Mit den veränderten Arbeitszeiten haben sich auch die Zeiten für die Kommunikation geändert.
Anrufe gehen immer häufiger über die Arbeitszeiten hinaus und dringen in unser Privatleben ein. Während eines Anrufs nicht ans Telefon zu gehen, kann auch eine Folge von hohem Stress sein, der durch die Angst vor der eigenen Darstellung entsteht.
Man stellt sich vor, vor einer Menschenmenge zu stehen, und das macht einen nervös. Die Tatsache, dass man angerufen wird, beruht auf demselben Prinzip. Der italienische Psychologe rät, eine:n Spezialist:in aufzusuchen, wenn diese Angst weiter besteht.
Auch interessant:
⋙ Hobbys aus dem Lockdown bringen Briten reihenweise ins Krankenhaus
⋙ So gefährlich ist Home-Office für unsere Augen
⋙ Gar nicht so selten wie man denkt: Arzt teilt Anzeichen, wie man soziale Angstzustände erkennen kann
Aus dem Französischen übersetzt von Gentside Frankreich