Tätowierer erzählt aus seinem Alltag: Tattoos sind viel mehr als ein Klischee

Florian Riffel sieht mit acht Jahren die Tattoos seines Nachbarn und ihm ist klar, dass er auch mal tätowiert sein möchte. Nun ist er Chef seines eigenen Tattoostudios.

Tattoos in der Mitte der Gesellschaft
© Quelle: Privat
Tattoos in der Mitte der Gesellschaft

Er fängt zunächst auf 20 Quadratmeter in einem Raum mit einer Küche an. Mittlerweile arbeitet er mit seinem Team aus 18 Piercern und Tätowierern auf 760 Quadratmetern zusammen. Florian möchte mit dem Autark Kunstkollektiv Charlottenburg dem „prüden Charlottenburg ´nen Stück Kunstszene zurückgeben“.

Das schlechte Image der Tattoos

Lange Zeit gelten Tattoos bei vielen Menschen als verpönt. Es waren hauptsächlich Seemannsleute und zwielichtige Gestalten, die sich im Westen ein Tattoo stechen ließen. Auch Florian kennt diese Klischees à la "Tätowierte sind kriminell".

Das hat sich über die vergangenen zwei Jahrzehnte geändert. Tattoos sind Mainstream geworden. In Deutschland sind laut einer Umfrage von Statista mehr als ein Viertel der 25-34-Jährigen tätowiert.

Mir gefällt es doch nicht

Ein Fünftel der Deutschen bereuen laut einer Umfrage von YouGov irgendwann ihr Tattoo. Die Möglichkeiten, solche Fehler zu beheben, sind allerdings begrenzt. Einerseits können die Tattoos mit einem Laser entfernt werden. Andererseits kann man sie auch mit einem anderen Tattoo überdecken.

Auch zu Florian kommen Menschen mit einem ungeliebten Tattoo, um sich helfen zu lassen. Zu solchen Leuten gehören die Trittbrettfahrer: "Die surfen durch die sozialen Medien oder sagen, meine beste Freundin hat sich ´n Tattoo stechen lassen, find ich geil."

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Florian sieht häufig Trends aus den 1990ern und 2000ern, wie das "Arschgeweih" oder "Lenden-Tribal", wie er es nennt. Aktuell sind die Unendlichkeitsschleife, Vogelsilhouetten oder jegliche Art von Mandala im Trend.

Tätowieren ist viel mehr als Klischee

Und vor allem mehr als ein Trend! Tattoos haben eine jahrtausendealte Geschichte. Der erste gefundene tätowierte Mensch ist Ötzi. Die mehr als 5000 Jahre alte Gletschermumie trug mindestens 61 Tattoos. Auch Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich-Ungarn war vermutlich tätowiert. Ihre jüngste Tochter erwähnt in ihrem Tagebuch ein Anker-Tattoo auf der Schulter ihrer Mutter.

Zudem gibt es keinen Ursprungsort des Tattoos - es entwickelte sich in vielen Orten der Welt gleichzeitig und unabhängig voneinander. Beispiele sind Ägypten, Polynesien oder Japan.

Früher wurde vermutlich aus zwei Gründen tätowiert

Einerseits zu medizinischen Zwecken. Heilende Kräuter sollen verbrannt und dann unter die Haut tätowiert worden sein, um die Wirkung dieser Kräuter permanent im Körper hervorzurufen.

Andererseits kennzeichneten Menschen früher ihre Stammeszugehörigkeit mit Tattoos. So konnten sie schneller erkennen, wer Freund und wer Feind war. Bei den Maoris in Neuseeland geben sie Auskunft über den sozialen Rang ihres Trägers und erzählen seine Lebensgeschichte.

Warum lassen sich Leute tätowieren?

Die Zugehörigkeit spielt auch heute noch eine Rolle bei Tattoos. Auf der einen Seite stehen für Florian die bereits erwähnten Trittbrettfahrer. Sie möchten zu den Coolen und Hippen dazugehören. Auf der anderen Seite sind es „die Leute, die das aus dem Inneren fühlen“, wie Florian meint. Also Menschen mit einer Geschichte und einem tieferen Sinn hinter ihrer Tattoo-Idee, die sie für immer bei sich tragen und auch anderen zeigen wollen.

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Diese Leute nutzen die Kunst des Tattoos, um sich schöner zu fühlen oder ihre Persönlichkeit nach außen zu tragen. Außerdem geben diese Kunstwerke ihnen Kraft. "Das kann der Arzt sein, der `ne Podiumsdiskussion hält. Der Anwalt, der im Gerichtssaal Power braucht oder der Polizist, wenn er zum 01. Mai vor dem schwarzen Block steht - die Verbundenheit zum Tattoo gibt mir Stärke."

Was macht ein gutes Tattoo aus?

Für Florian steht und fällt ein Tattoo mit der Beratung. Der Tätowierende soll sich Zeit für Kund:innen nehmen, Verantwortung zeigen und zusammen herausfinden, ob die Idee für das Tattoo passt - ist die Idee überhaupt ausgereift und gut überlegt? Wenn dann noch ein klares Bewusstsein für die Konsequenzen von Tattoos geschaffen wird, ist der Weg frei.

Gute Tätowierer sind laut Florian "intimer Gesprächspartner, Freund, Partnerersatz, Wellnessanbieter und Coach". Tätowieren ist für ihn mehr als nur ein Job: "Man kann so viel bewirken und Spaß mit den Leuten haben, Momente teilen. Du kannst den Leuten etwas bis an ihr Lebensende mitgeben."

Verwendete Quellen:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1253983/umfrage/umfrage-in-deutschland-zu-tattoos-nach-altersgruppen/

https://yougov.de/topics/health/articles-reports/2019/10/18/jeder-funfte-tatowierte-mann-bereut-sein-tattoo

https://web.de/magazine/wissen/geschichte/geburtstag-sisi-wahrheit-kaiserin-elisabeth-oesterreich-31980410

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