Von heute auf morgen wird die Welt eines 54-Jährigen auf den Kopf gestellt: Der bis dahin kerngesunde Mann wird plötzlich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert. Was danach folgt, ist eine Reihe unvorstellbarer Vorkommnisse, die ihn seine Gesundheit und fast auch seinen Verstand kosten.
Starke Schmerzen führen zu einer Opioid-Überdosis
Alles fängt mit der Diagnose Zungenkrebs an. Nach einer erfolgreichen Entfernung des Tumorgewebes bekommt der Mann eine Strahlentherapie. Es scheint gut zu laufen, bis er plötzlich über Nackenschmerzen klagt und seine Schulter nicht mehr richtig bewegen kann. Auch seine Stimmung wird durch die Schmerzen immer schlechter.
Die Ärzte gehen von einer sogenannten postoperativen Neuropathie aus, einer Beeinträchtigung der Nerven, schicken ihn aber auch in eine Klinik für Verhaltensmedizin, wo eine Anpassungsstörung mit Depression und Angstzuständen diagnostiziert wird. Es folgt eine mehrmonatige Psychotherapie sowie eine Behandlung mit Schmerzmitteln, Antidepressiva und Opioide wie Oxycodon und Methadon.
Ärzte gehen von einer beginnenden Demenz aus
Nach einiger Zeit wird der Mann wegen einer Opioid-Überdosis in die Notaufnahme eingeliefert. Er hat zunächst keine Puls mehr, kann aber reanimiert werden. Von einem Selbstmordversuch gehen die Ärzte nicht aus, da er sich im Nachhinein beschämt über den Vorfall zeigt. Obwohl er nach einigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wird und wieder nach Hause gehen darf, verschlechtert sich sein Zustand weiterhin.
Er zeigt sich zunehmend verwirrt, verirrt sich unterwegs, ruft nachts seine Familie an, ist aggressiv und beleidigend. Die Ärzte sehen sich mithilfe einer Computertomografie (CT) sein Gehirn an, können aber keinen Tumor oder eine Blutung feststellen. Allerdings unterscheidet sich das Gewebe der linken Gehirnhälfte von dem in der rechten, weshalb sie von einer beginnenden Demenz ausgehen.
Heute ist er wieder fast der Alte
Nicholas Kontos ist Psychiater und Co-Autor eines Fallberichts, in dem es um die rätselhaften Symptome des Mannes geht. Er bezweifelt, dass sein Verhalten an einer Demenz liegt. Stattdessen vermutet er, dass der Patient Schäden wegen des vierminütigen Kreislaufstillstands nach der Opioid-Überdosis davongetragen hat.
Wenn das Gehirn über einen gewissen Zeitraum mit zu wenig Sauerstoff versorgt wird, kann es zu einer sogenannten verzögerten posthypoxischen Leukenzephalopathie kommen. Tatsächlich haben MRT-Bilder gezeigt, dass sich im Gehirn des Mannes ein Ödem befindet, das höchstwahrscheinlich durch den Sauerstoffmangel ausgelöst worden ist.
Schon nach kurzer Zeit verbessert sich der Zustand des Mannes nach entsprechender Therapie mit Psychopharmaka und Reha-Maßnahmen. Heute ist er wieder fast der Alte, nur die Aufmerksamkeitsprobleme sind geblieben sowie die gereizte Stimmung. Diese versucht er durch Psychotherapie in den Griff zu bekommen.