Jonathan weiß seit seiner Grundschulzeit, dass er unter dem Asperger-Syndrom leidet, einer besonderen Form von Autismus. Das stellt ihn im Alltag vor für uns ungeahnte Probleme.
Neue, ungewohnte Situationen stressen ihn besonders, weswegen sich der 29-Jährige an ihm bekannte feste Strukturen klammert. Doch plötzlich kommt die Corona-Pandemie und stellt sein ganzes Leben auf den Kopf, wie er in der Zeit berichtet.
Autismus: Pandemie schafft neue Herausforderungen
Vor Corona hat Jonathan seinen Tagesablauf fest im Griff gehabt. Er arbeitete als Kommissionierer im Lager eines Großhandels für Medizintechnik, spielt in seiner Freizeit gerne Schach - sogar im Verein. Zudem besucht er häufig sein Lieblingscafé, welches für ihn Auszeit und Training zugleich bedeutet. Er berichtet:
Soziale Verhaltensweisen, die viele Menschen ganz automatisch abrufen können, muss ich erst durch Beobachtung verstehen lernen, bevor ich sie anwenden kann. Dabei haben mir meine Besuche im Café geholfen.
Als das Coronavirus wie eine große Welle über das Land schwappt, und nach und nach alle Geschäfte, Restaurants und Cafés schließen müssen, brechen allen Strukturen, die sich Jonathan in seinem Leben aufgebaut hat, unter ihm weg. Alte Gewohnheiten, wie das Schachspielen, fallen weg, dafür stellen ihn neu eingeführte Regeln vor riesige Probleme.
Hygieneregeln stellen ungeahnte Probleme dar
So zum Beispiel das Tragen von Masken: Aufgrund seiner psychischen Erkrankung tut sich Jonathan ohnehin schon schwer, Gefühle und Emotionen im Gesicht anderer Menschen ablesen zu können.
Dass nun die Hälfte des Gesichts seines Gegenübers mit einer Maske verdeckt ist, macht es ihm beinahe unmöglich, den Ausdruck deuten zu können. Doch Jonathan nimmt es sportlich und sieht in den Hygieneregeln eine Herausforderung.
Tatsächlich hat die Pandemie für ihn aber auch positive Seiten. Ein großer Partygänger war der 29-Jährige noch nie, und auch einige andere Aspekte, die Corona mit sich bringt, sind für ihn durchaus von Vorteil:
An die Abstandsregel von mindestens 1,5 Metern konnte ich mich zum Beispiel recht schnell gewöhnen - denn Abstand mag ich sowieso lieber als Nähe. Vor allem bei fremden Menschen. Jetzt [...] gehe ich eigentlich viel lieber in den Supermarkt und fahre lieber mit dem Zug als vor der Corona-Zeit.
Positive Seiten der Pandemie
Auch das Wegfallen des Händeschüttelns kann Jonathan gut verkraften. "Es erleichtert mich, dass während Corona niemand mehr von mir erwartet, dass ich ihm oder ihr die Hand gebe", erklärt er. Die neue Begrüßung mit dem Ellenbogen bevorzuge er sogar:
Er ist nicht so direkt und für mich, der ich Körperkontakt zu fremden Menschen schlecht aushalte, deutlich angenehmer.
Und trotzdem: Auch Jonathan freut sich auf das Ende der Pandemie. Aktuell leidet er unter der Angst, dass sein Leben nach Corona anders als sein Leben davor sein könnte. Es wird Zeit, dass er sich nach dem Schachspielen mit Freunden wieder in sein Lieblingscafé setzen kann - so wie früher.