Nicht unmännlich, sondern gleichberechtigt: Paar erzählt von ersten Erfahrungen mit "Pille für den Mann"

Empfängnisverhütung hängt seit den 1960er Jahren mit der Erfindung der Pille großteils an Frauen. Doch die Hormone wirken sich teils sehr negativ auf den weiblichen Körper aus. Schon lange fragt man sich: Gibt es auch eine Alternative für den Mann? Die Pille für den Mann befindet sich zurzeit in der Testphase. Ein Paar berichtet nun seine Erfahrungen.

Die Pille für den Mann im Testversuch
© Vera Kevresan / EyeEm@Getty Images
Die Pille für den Mann im Testversuch

Die Pille zur Empfängnisverhütung ist bis heute mit Frauen verbunden. Doch warum müssen Frauen allein die große Bürde tragen, eine Veränderung ihres Körpers in Kauf zu nehmen und teils mit Unverträglichkeiten, starken Nebenwirkungen und Gemütsschwankungen bis hin zu Thrombose kämpfen zu müssen?

Die Forschung arbeitet seit den 1950er Jahren neben der hormonellen Empfängnisverhütung für die Frau zeitweise immer wieder auch an Versuchen, eine entsprechende Alternative für Männer zu entwickeln.

In Edinburgh ist mit 100 Männern eine neue Testreihe gestartet worden. Nach einem Jahr im Testversuch berichtet ein britisches Pärchen über seine Erfahrungen.

Jetzt ist der Mann an der Reihe

Der 32-jährige Ed und die 30-jährige Fiona sind seit 2013 zusammen, sie haben sich damals als 99-prozentige Matches über ein Internetportal kennengelernt. Das Paar entscheidet sich, an dem Testversuch zur Pille für den Mann teilzunehmen, da sie eine dramatische Erfahrung zur Empfängnisverhütung hinter sich haben.

Fiona verhütet mit einer Kupferspirale. Doch eines Tages landet sie genau wegen dieser auf der Intensivstation. Denn die Kupferspirale hat einen Abzess in ihrem Unterleib hervorgerufen. Bei der operativen Entfernung kommt es jedoch zu einer ernsten Blutvergiftung.

Zum Glück kommt Fiona wieder gesund aus der Intensivstation nach Hause, kann aber nie mehr eine Spirale eingesetzt bekommen. Die Pille ist zudem keine Alternative. Denn manche Frauen findet zeitlebens nie die richtige Zusammensetzung, die ihnen "guttut".

Die beiden beschließen dann zusammen, auf einen Aufruf zu antworten, den Ed zuvor bei einem seiner Besuche im Krankenhausflur gesehen hat: Es handelt sich um den eben genannten, in Edinburgh entwickelten Test. Ed sagt hierzu der Daily Mail:

Ich denke bei mir: Wieso übernehme denn ich nicht die Verantwortung, wenn es möglich ist?

Eine Mischung aus Nestoron und Testosteron

Ed ist dann einer der 100 Testpersonen des Präparats aus Nestoron und Testosteron. Eines der Bestandteile stellt ein synthetisches Progestin dar, das auch bei der weiblichen Empfängnisverhütung zum Einsatz kommt.

Durch das ebenfalls verabreichte synthetische Testosteron wird darüber hinaus die natürliche Testosteron-Produktion beim Mann unterbrochen, weshalb in der Folge keine Spermien mehr produziert werden.

Dank des synthetischen Testosterons wird allerdings die männliche Libido aufrechterhalten. Der Weg zurück zur Natur ist aber wie bei Frauen und ihrer Pille nicht versperrt: Nach Absetzen der Behandlung pegelt sich alles wieder auf Normalniveau ein.

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Bei der Pille für den Mann handelt es sich eigentlich um ein Verhütungsgel.  MART PRODUCTION@Pexels

Die Pille für den Mann ist keine Pille, sondern ein Gel

Ed muss für seinen Testversuch aber keine Pillen schlucken, sondern seine Schultern und Brust jeden Morgen nach der Dusche mit einem Gel einreiben. Grund für diese Form der Verabreichung ist, dass sich in Tablettenform eingenommenes Testosteron viel zu schnell abbaut.

Mit dem Gel wird das Hormon dann über die Haut direkt in den Blutkreislauf aufgenommen. Dr. John Reynolds-Wright, ein am Testversuch beteiligter Wissenschaftler, erklärt der Daily Mail diese Zusammenhänge:

Bei Frauen verhindert ein hormonelles Verhütungsmittel den Eisprung. Zum Eisprung kommt es nur einmal im Monat, wohingegen Männer täglich Millionen von Spermien produzieren. Um also hier zum selben Ergebnis zu kommen und die Menschen vor einer Schwangerschaft zu schützen, muss ein Medikament her, das viel mehr leisten kann.
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Hitzewallungen sind eine der Nebenwirkungen. Mary Taylor@Pexels

Keine Veränderung im Bett, aber Hitzewallungen

Das Sexleben des Paares ist durch die männliche Verhütung durchweg positiv beeinflusst worden und in seiner Qualität gleich geblieben. Allerdings muss sich Ed vor jedem Sex kräftig duschen, um das Testosteron-Gel völlig abzuwaschen, da es sonst Fiona über ihre Haut aufnimmt. Ansonsten kommt nämlich ihr eigener Hormonhaushalt durcheinander, da sich sonst Testosteron auf die Frau übertragen könnte.

Es gibt Männer, die die "männliche Pille" für unmännlich halten. Ed spricht, über sich selbst spöttelnd, dass er "mit Platzpatronen schießt" und sagt, dass seine Männlichkeit keineswegs darunter leidet.

Als häufige Nebenwirkung des Verhütungsgels hat Ed nun allerdings oft Hitzewallungen, ähnlich wie Frauen in den Wechseljahren. Ed kommentiert diese Nebenwirkung der Daily Mail gegenüber so:

Mir macht es nichts aus, diese komischen Hitzewallungen zu haben, wenn das der Preis für ein völlig einfaches, sorgloses Sexleben ist.

Abgesehen von den Hitzewallungen hat Ed aber auch etwa vier Kilogramm an Gewicht zugelegt. Daran hat er sich gewöhnt, wie auch an die jetzt häufigeren Gemütsschwankungen.

Seid ihr nach diesen ersten Eindrücken bereit für einen Versuch, eurer Partnerin eine womöglich große Last abzunehmen? Vielleicht zeigt eine derartige Erfahrung dem ein oder anderen Mann, was hinter der hormonellen Verhütung alles stecken kann und zieht die Pille für den Mann in dieser Hinsicht Mansplaining den Boden unter den Füßen weg...

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