Stockholm-Syndrom: Definition
Beim Stockholm-Syndrom entsteht die paradoxe Situation, dass das Opfer einer Geiselnahme Sympathie, Zuneigung, Verständnis und manchmal sogar Liebe für seinen Entführer entwickelt. Während die Geisel gefangen ist, nähert sie sich dem Entführer an, glaubt manchmal sogar an seine Beweggründe und Ziele und kann verstehen, warum es zur Geiselnahme gekommen ist. Die Opfer entwickeln dabei auch ein Gefühl der Feindseligkeit gegenüber der Regierung oder der Polizei, die sie ja eigentlich befreien wollen.
Der Name des Stockholm-Syndroms stammt von einer Geiselnahme, die am 23. August 1973 in Stockholm stattfand. Zwei Räuber hatten vier Bankangestellte über mehrere Tage als Geisel genommen. Als die Ordnungskräfte die Geiseln befreien wollten, zeigten diese ihre Sympathie für die Geiselnehmer. Sie besuchten sie sogar später im Gefängnis und weigerten sich, im Prozess gegen sie auszusagen.
Der US-amerikanische Psychiater Frank Ochberg hat schließlich den theoretischen Grundstein zum Stockholm-Syndrom gelegt.
Stockholm-Syndrom: Ursachen und Entstehung
Das Stockholm-Syndrom ist ein psychisches Phänomen, das sich beim Opfer während einer Geiselnahme entwickelt. Je länger die Geiselnahme dauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit für dieses Syndrom. Das Phänomen tritt auf, wenn es eine Vertrautheit zwischen Geiselnehmer und Geisel entsteht, etwa weil man mehrere Stunden zusammen an einem Ort war. Diese Vertrautheit kann in beide Richtungen gehen, d.h. dass jeder für den anderen Sympathien hegen kann.
Das Opfer, oft schockiert und traumatisiert durch die Geiselnahme, will seinem Entführer gefallen, damit sein Leben verschont bleibt. Durch diese Annäherung glaubt das Opfer, weniger in Gefahr zu sein. Es handelt sich also um einen unbewussten Verteidigungsmechanismus.
Wenn sich der Entführer rechtfertigt, politische oder ideologische Motive hat und dabei keine Hassgefühle gegenüber seinen Geiseln zeigt, tritt das Stockholm-Syndrom noch leichter auf.
Diagnose: Wie erkennt man das Stockholm-Syndrom?
Drei Merkmale lassen auf das Stockholm-Syndrom schließen:
(1) Der Betroffene entwickelt Sympathie, Zuneigung und Verständnis für das Handeln und die Absichten des Entführers.
(2) Anstatt sich dem Entführer entgegenzustellen, will das Opfer ihn verteidigen, die Handlungen rechtfertigen und die Schuld bei der Regierung oder den sozialen Ungleichheiten suchen.
(3) Das Opfer ergreift selbst nach seiner Befreiung Partei für den Entführer und unterstreicht, dass es während der Geiselnahme gut behandelt wurde.
Behandlung: Ist das Stockholm-Syndrom heilbar?
Sympathie und Vertrauen, die das Opfer für den Entführer empfindet, sind vergänglich. Nach einigen Tagen, Monaten oder auch Jahren, kommt das Opfer meist „zur Vernunft“ und versteht, dass es unterdrückt worden ist. Oft hilft eine Therapie.