Im vergangenen Sommer sahen sich die Ärzt:innen der Augenklinik der Harvard Medical School einem sonderbaren Muster gegenüber. Sie hatten ungewöhnlich viele Patient:innen mit nicht-arteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie (Naion) in ihrer Praxis, berichtete Heute. Den Grund dafür fanden sie in einer Diabetes-Spritze.
Ungewöhnlich viele Diagnosen
Hinter dem ziemlich kompliziert klingenden Namen verbirgt sich laut Ärzteblatt eine "akute einseitige Sehverschlechterung ohne Augenbewegungsschmerz mit obligater Papillenschwellung", da der Blutfluss zum Sehnerv unterbrochen wird.
Dies kann zu einem dauerhaften Sehverlust auf einem Auge führen. Für Diabetiker:innen und Übergewichtige bestünde ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung.
Eine Behandlung für Naion gebe es nicht und es komme statistisch gesehen eher selten vor, wie der Guardian berichtete. Rund 10 Personen von 100.000 der allgemeinen Bevölkerung sind betroffen.
Daher waren die Ärzt:innen der Harvard Medical School überrascht, als sie plötzlich drei Fälle in einer Woche diagnostizierten.
Risikofaktor Semaglutid
Für eine Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Ophthalmology veröffentlicht wurde, nahmen die Forschenden die Daten von 16.827 Patient:innen unter die Lupe, die über sechs Jahre lang im Mass Eye and Ear Harvard Lehrkrankenhaus behandelt wurden.
Das Ergebnis: Nach drei Jahren entwickelten 8,9% der Diabetiker:innen, die mit Semaglutid behandelt wurden, ein Naion - verglichen mit nur 1,8%, die einer anderen Therapie unterzogen wurden.
Außerdem erkrankten übergewichtige Personen mit einer sieben Mal höheren Wahrscheinlichkeit an einem Naion als Personen, die andere gewichtsreduzierende Mitteln bekamen. Hier lag das Verhältnis bei 6,7% zu 0,8%.
Ergebnisse müssen mit Vorsicht interpretiert werden
Trotz der wegweisenden Ergebnisse äußerten sich die Forschenden mit Rückbehalt:
Diese Forschung deutet auf einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Semaglutid und einer Form der sehbedrohenden Optikusneuropathie hin, aber dies sollte idealerweise in größeren Studien getestet werden,
zitierte der Guardian Graham McGeown, Honorarprofessor für Physiologie an der Queen’s University in Belfast.
Auch Professor für Augenheilkunde Joseph Rizzo von der Harvard Medical School sprach sich für weitere Forschungen aus:
Unsere Ergebnisse sollten als bedeutend, aber vorläufig betrachtet werden, da zukünftige Studien erforderlich sind, um diese Fragen in einer wesentlich größeren und vielfältigeren Population zu untersuchen.
Angesichts des raschen Anstiegs der Verwendung von Semaglutid und seiner möglichen Zulassung für eine Vielzahl von Problemen außer Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes sollten die Ärzt:innen vorsichtig sein, vor allem wenn die Patient:innen bereits Vorerkrankungen an den Augen haben.
Der dänische Hersteller der Marken Ozempic and Wegovy, Novo Nordisk, nehme die Ergebnisse laut Berichten der CNN "zwar sehr ernst", betonte aber ebenfalls, dass die Daten nicht ausreichen, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Semaglutid-Medikamenten und Naion festzustellen.
Auch interessant:
Ärzte warnen: Das passiert, wenn du dieses Abnehmpräparat einnimmst
Studie zeigt: Schlafmangel kann uns erblinden lassen
Gegen Übergewicht: Abnehm-Spritze aus den USA nun auch in Deutschland
Verwendete Quellen:
Heute: Neue Studie - Führen Ozempic und Wegovy zu schwerem Sehverlust?
Ärtzteblatt: Sehnervenerkrankung: Risikofaktoren für nichtarteriitische Optikusneuropathie identifiziert
The Guardian: Weight-loss jabs may be linked to condition that can cause blindness, study finds
CNN: Popular weight loss and diabetes drugs linked to increased risk of rare form of blindness