Seit Ausbruch des Coronavirus Ende 2019 haben sich bereits 40,3 Millionen Menschen infiziert. 97,6 Millionen sind genesen und 1,12 Millionen sind aufgrund von schweren Verläufen verstorben. In diesem Jahr arbeiten Wissenschaftler weltweit rund um die Uhr daran, ein Mittel gegen die Krankheit zu finden und all dem Leiden ein Ende zu setzen.
Wann nimmt die Corona-Pandemie ein Ende?
Wann und wie das Coronavirus ein Ende nimmt, hängt jedoch von zahlreichen komplizierten Faktoren ab: Mögliche Impfungen, Herdenimmunität und das menschliche Verhalten werden der Schlüssel im Kampf gegen das Virus sein.
Nach den offenen Grenzen im Sommer gehen manche Länder schon wieder in den Lockdown. Unter anderem im Vereinigten Königreich und in Frankreich werden drastische Einschränkungen wieder notwendig, um die gefährliche Krankheit unter Kontrolle zu bringen. Yonatan Grad, ein Epidemiologe an der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston (Massachusetts, USA) ist der Ansicht, dass wir uns auf jeden Fall noch mit Geduld wappnen müssen.
Stand der Impfstoffsuche
Nach derzeitigem Stand befinden sich 26 Impfstoffe gegen das Coronavirus in verschiedenen Stufen der Testung. Darunter haben zwölf bereits Phase 2 erreicht und sechs sind in Phase 3. Die Wirksamkeit einer Impfung im Kampf gegen SARS-CoV-2 hängt aber davon ab, wie lange der Impfschutz anhält. Marc Lipsitch, ein Epidemiologe der Universität Harvard, schreibt in einem gemeinsam mit Kollegen im Mai veröffentlichten Artikel Folgendes:
Die Fälle von SARS-CoV-2, die bis 2025 auftreten werden, hängen in hohem Maße von der Dauer der Immunität ab.
Zahlreiche Impfungen, wie etwa die Vakzine gegen Kinderlähmung, Masern und Mumps, bieten für eine Dauer von zehn Jahren Schutz. Grippeimpfungen halten viel weniger lange und müssen jedes Jahr aufgefrischt werden. Wenn die Impfung gegen das Coronavirus schlussendlich nur für eine Dauer von sechs Monaten einen Schutz vor einer Ansteckung bietet, wie es bei der Grippeimpfung der Fall ist, wird es wohl zumindest bis 2025 immer wieder Ausbrüche von Covid-19 geben.
Auch die Frage, wie schnell eine Impfung produziert und verteilt werden kann, spielt eine große Rolle im Kampf gegen das Coronavirus, ebenso wie etwaige Probleme in der Wirksamkeit oder in der Sicherheit, die erst in einem späteren Stadium festgestellt werden. Außerdem muss die Leistbarkeit der Impfung gewährleistet werden, was besonders in weniger entwickelten Ländern relevant sein wird.
Herdenimmunität
Die WHO bekräftigt, dass eine Herdenimmunität gegen Covid-19 dann möglich ist, wenn der Großteil der Bevölkerung gegen das Virus geimpft ist. Dies hat zur Folge, dass die Übertragungsrate beträchtlich verlangsamt wird. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Gesellschaft geschützt sein kann, ohne dass jede einzelne Person geimpft sein muss.
Der Anteil der Bevölkerung, der gegen eine Krankheit immunisiert sein muss, damit die Herdenimmunität greift, ist von Virus zu Virus unterschiedlich. Bei Masern müssen etwa 95 % der Bevölkerung geimpft sein. Für das Coronavirus berechnet der Mathematiker Tom Britton von der Universität Stockholm, dass für eine Herdenimmunität ein Impfschutz bei 43 % der Bevölkerung ausreicht. Andere Wissenschaftler beziffern den Anteil in ihren Schätzungen jedoch mit bis zu 70 %.
Eine Studie von Dr. Gabriela Gomes von der Universität Strathclyde im Vereinigten Königreich konzentriert sich auf die Unterschiede in den verschiedenen Ländern. Sie beschreibt in ihrem Artikel, dass Belgien, England, Portugal und Spanien eine Herdenimmunität bereits bei 10-20 % erreichen können. Laut Angaben der Wissenschaftlerin könnte die Pandemie nur noch ein paar Monate dauern:
Zumindest in den Ländern, auf die wir unser Modell angewandt haben, deutet nichts darauf hin, dass die Schwellen zur Herdenimmunität höher wären. Ich denke, es ist gut, die Aussicht zu haben, dass die Pandemie nur noch ein paar Monate andauern könnte.
Gomes' Prognosen werden von anderen Wissenschaftlern jedoch scharf kritisiert. So sei es bis zur Verfügbarkeit von Impfungen ein reines Ratespiel, vorauszusagen, wie die Schwellen für Herdenimmunität aussehen werden.
Menschliches Verhalten
Rosalind Eggo, die an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) an Modellen für Infektionskrankheiten arbeitet, Ist der Ansicht, dass die Verbreitung von Covid-19 sehr stark von den Maßnahmen der Regierungen abhängt, sowie davon, wie sehr sich die Bevölkerung an Maßnahmen wie Händewaschen und das Tragen von Masken hält. So hält Eggo fest:
An zahlreichen Orten gibt es Lockerungen der Beschränkungen, an anderen Orten wiederum nicht. Wir wissen noch nicht wirklich, wie es weitergeht.
Joseph Wu, der sich an der Universität Hongkong mit demselben Thema befasst, gibt ebenfalls an, dass die Zukunft davon abhängt, "wie das soziale Leben wieder Fahrt aufnimmt und welche Vorbeugungsmaßnahmen wir treffen".
Dr. Samir Bhatt, ein Epidemiologe für Infektionskrankheiten am Imperial College London, ist Co-Autor einer Studie, die beschreibt, dass in 53 Ländern mit gelockerten Maßnahmen das Ansteigen der Infektionszahlen nicht so hoch ist, wie es noch frühere Prognosen vorausgesagt hätten:
Es wird unterschätzt, wie sehr sich das Verhalten der Menschen hinsichtlich Masken, Händewaschen und Social Distancing verändert hat. Es ist mit früher nicht zu vergleichen.
Wenn wir uns Länder ansehen, die das Virus erfolgreich bekämpft haben, wie etwa China, Neuseeland oder Ruanda, stellt sich heraus, dass Veränderungen im Verhalten und frühere Lockdowns dabei helfen können, die Übertragung zu verlangsamen, aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Diese Daten werden mit denen von Ländern wie Brasilien und den USA verglichen, die ihre Grenzen verfrüht wieder geöffnet oder niemals derartige Maßnahmen auf landesweiter Ebene getroffen hatten. Nun haben diese Länder mit riesigen Anstiegen in den Infektionszahlen zu kämpfen.
Forscher untersuchen in Virus-Hotspots auch die Wirksamkeit von Social-Distancing-Maßnahmen. Die Studie wird von Wissenschaftlern der Universität Anhembi Morumbi in São Paulo (Brasilien) durchgeführt und besteht aus mehr als 250.000 mathematischen Modellen. Die Modelle untersuchen Social-Distancing-Regeln in drei verschiedenen Stufen – ständige Maßnahmen, punktuelle Maßnahmen und "kontinuierlich gelockerte" Maßnahmen – in Kombination mit verantwortungsvollem Verhalten durch Händewaschen und Maskentragen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass Social-Distancing-Maßnahmen alle 80 Tage reduziert werden könnten, wenn sich 50-65 % der Menschen in der Öffentlichkeit vorsichtig verhalten. Dadurch könnten neuerliche Krankheitsausbrüche über einen Zeitraum von zwei Jahren verhindert werden. Der Zeitplan würde sich entsprechend verkürzen, sobald eine sichere Impfung verfügbar ist.
Wie geht es weiter?
Auch die Jahreszeiten spielen eine Rolle bei der Senkung der Infektionszahlen. Es ist mittlerweile klar, dass der Sommer die Ausbreitung des Virus leicht verlangsamt, doch die Auswirkungen der warmen Jahreszeit sind nicht überall auf der Welt dieselben. Fest steht aber, dass mit den kühleren Temperaturen die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellen.
Die Beobachtungen der letzten Zeit legen nahe, dass eine kühle, trockene Luft die ideale Umgebung für die Verbreitung des Virus ist. Das kalte Wetter führt außerdem dazu, dass wir uns vermehrt in Innenräumen aufhalten, wo wir der Gefahr einer Tröpfcheninfektion eher ausgesetzt sind. Richard Neher, ein Computerbiologe an der Universität Basel (Schweiz), erklärt, dass das Coronavirus aufgrund dieser Tatsache besonders in der Nordhalbkugel schwieriger einzudämmen sei.
Ob das Virus nun 2022, 2025 oder niemals ein Ende nimmt, hängt jedoch einzig und allein von der Einführung (und vom Erfolg) einer Impfung sowie vom menschlichen Verhalten ab. Befolgt also unbedingt die Social-Distancing-Maßnahmen, tragt eure Masken und wascht eure Hände – denn eure Handlungen haben größere Auswirkungen, als ihr vielleicht denkt!