Weil es bei vom Verdächtigen Fathi Ben M. deutliche Parallelen zu dem Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri gibt, ist das Unverständnis um die Entscheidung der Berliner Polizei umso größer.
Genau wie Amri hatte dieser an der Warschauer Brücke Drogen verkauft, war mit mehreren Scheinidentitäten unterwegs und tauchte unter, um sich vor der Abschiebung zu drücken. Die Polizei erwischte Fathi Ben M. inmitten eines Drogendeals, nahm ihn fest und glich elektronische Fingerabdrücke ab. Dennoch kam der Verdächtige nicht in Abschiebehaft. Warum?
Ein Fall von Behördenversagen?
Die Polizei weist unterdessen Vorwürfe, einen "Gefährder“ freigelassen zu haben, zurück. Der Mann sei "weder in Berlin noch in einem anderen Bundesland als Gefährder eingestuft“ und weiter hätten weder "Haftbeschluss noch Fahndungen zur Festnahme" vorgelegen. In einem Gerichtsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten wird der Tunesier jedoch nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden als (islamistischer) Gefährder eingestuft.
Berliner Polizei bezweifelt den Gerichtsbeschluss
In einem öffentlichen Statement zweifelt die Polizei nun den Gerichtsbeschluss an: In dem Beschluss sei "offenbar der Begriff Gefährder verwendet“ worden, "ohne das polizeiliche Erkenntnisse für diese Einstufung vorlagen“.
Keine Arrestanstalten für Gefährder
Weil es zu wenig Räume für Gefährder gibt, die abgeschoben werden sollen, werden diese lieber auf freien Fuß gesetzt. Eine Entscheidung, die Burkhard Dregger (CDU), Vorsitzender des Amri-Untersuchungsausschusses, nicht versteht: "Ich bin schon sehr verwundert, dass ein islamistischer Gefährder, der 18 Identitäten missbraucht und für den Passersatzdokumente zum Zwecke der Abschiebung vorliegen, bei einer polizeilichen Maßnahme nicht festgesetzt wird und nicht in Sicherungshaft genommen wird, obwohl im Grunde alle Voraussetzungen vorliegen.“ Dregger erklärt sich das folgendermaßen: "Das ist kein Behördenversagen, das ist politisch gewollt.“
Warnung vor zukünftigen Delikten
"Ein Betroffener müsste durch halb Deutschland kutschiert werden, um in einem anderen Bundesland untergebracht zu werden“, sagt Burkhard Dregger. "Das führt dann dazu, dass es faktisch nicht geschieht. Der wird auf freien Fuß gesetzt, ist nicht beobachtet – und von ihm gehen Gefahren aus.“ Auch ein Polizeibeamter äußert sich kritisch: "Es spricht sich rum, dass Abschiebungen politisch nicht gewollt sind und in der Praxis auch kaum möglich.“
Derzeit plant die Innenverwaltung in Berlin, Gefährder ab Ende 2018 in der Jugendarrestanstalt in Lichtenrade unterzubringen. Im letzten Jahr seien fünf Gefährder mithilfe anderer Bundesländer abgeschoben worden.